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Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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brennende Kerzen, Gesänge oder Choräle. Priester in langen Roben. Und die Brandopfer.
    Aber keine Abbilder. Offenbar war er so groß, daß sie ihn nicht klar erkennen konnten. Er versuchte sich vorzustellen, wie er ihnen von ihrer Seite des Nebels erscheinen mochte. Eine ungeheure Gestalt, die über ihnen aufragte, verdeckt von einer Wand aus grauem Dunst. Ein undeutliches Wesen, das ihnen auf eine Art glich, ohne jedoch so wie sie zu sein. Eine andere Art Wesen. Größer – doch das war nicht der einzige Unterschied. Und wenn er sprach – mit einer dröhnenden Stimme, die durch den Soforttransporter hallte. Und die sie noch immer zu panischer Flucht veranlaßte.
    Eine Religion, die sich weiterentwickelte. Er veränderte sie. Durch seine Gegenwart und durch seine Antworten, die präzisen, korrekten Antworten, die er von der Bundesdatenbank erhielt und die der Linguistik-Computer in ihre Sprache übersetzte. Natürlich, auf ihrer Zeitebene mußten sie Generationen lang auf die Antworten warten. Aber inzwischen hatten sie sich daran gewöhnt. Sie warteten. Sie hofften. Sie reichten ihm ihre Fragen hinauf, und nach einigen Jahrhunderten erteilte er ihnen die Antworten, Antworten, die sie zweifellos gut anwandten.
    „Was ist nur los?“ fragte Mary, als er eine Stunde später als gewöhnlich von der Arbeit nach Hause kam. „Wo bist du gewesen?“
    „Ich habe gearbeitet“, erwiderte Ellis unbekümmert und legte Hut und Mantel ab. Er warf sich auf die Couch. „Ich bin müde. Richtig müde.“ Er seufzte erleichtert und winkte der Couchlehne zu, ihm einen Whisky-Soda zu bringen.
    Mary kam zu ihm. „Henry, ich mache mir ein wenig Sorgen.“
    „Sorgen?“
    „Du solltest nicht so viel arbeiten. Du darfst es dir nicht so schwer machen. Wie lange ist es her, seitdem du einen richtigen Urlaub verbracht hast? Weit weg von Terra, dem Sonnensystem. Weißt du, ich würde gern diesen Burschen Miller anrufen und ihn fragen, wieso es notwendig ist, einen Mann in deinem Alter einer derartigen …“
    „Ein Mann in meinem Alter!“ echote Ellis indigniert. „So alt bin ich nun auch wieder nicht.“
    „Natürlich nicht.“ Mary setzte sich neben ihn und umarmte ihn liebevoll. „Aber du darfst nicht so viel arbeiten. Du hast eine Ruhepause verdient. Meinst du nicht auch?“
    „Dies ist etwas anderes. Das verstehst du nicht. Ich arbeite nicht mehr an dem alten Zeug. Berichte und Statistiken und die verdammten Listen. Dies ist …“
    „Was ist es?“
    „Es ist etwas anderes. Ich bin kein Rädchen mehr. Es gibt mir etwas. Ich glaube nicht, daß ich es dir erklären kann. Aber ich muß es tun.“
    „Wenn du mir doch mehr darüber sagen könntest …“
    „Ich kann dir nicht mehr darüber sagen“, unterbrach Ellis. „Es gibt nichts Vergleichbares auf der Welt. Ich habe fünfundzwanzig Jahre für Terran Development gearbeitet. Fünfundzwanzig Jahre lang die gleichen Berichte, immer und immer wieder. Fünfundzwanzig Jahre – und nie habe ich mich so gut wie jetzt gefühlt.“
     
    „Ach ja?“ brüllte Miller. „Kommen Sie mir ja nicht so! Heraus damit, Ellis!“
    Ellis öffnete und schloß den Mund. „Wovon reden Sie?“ Angst übermannte ihn. „Was ist geschehen?“
    „Mich können Sie mit Ihren Ausflüchten nicht täuschen.“ Auf dem Bildschirm war deutlich zu sehen, wie sich Millers Gesicht rötete. „Kommen Sie in mein Büro.“
    Der Monitor wurde dunkel.
    Betäubt saß Ellis an seinem Schreibtisch. Allmählich faßte er sich wieder und kam zittrig auf die Beine. „Großer Gott!“
    So plötzlich. Alles zerstört.
    „Stimmt etwas nicht?“ fragte Miß Nelson anteilnehmend.
    „Alles in Ordnung.“ Benommen näherte sich Ellis der Tür. Er war erledigt. Was hatte Miller herausgefunden? Herr im Himmel! War es möglich, daß er …
    „Mr. Miller sah wütend aus.“
    „Ja.“ Blicklos, mit aufgeregt tanzenden Gedanken schritt Ellis durch den Korridor. Gut, Miller sah wütend aus. Er hatte es irgendwie herausgefunden. Aber warum hatte er Angst? Warum machte er sich Sorgen? Kälte kroch Ellis’ Nacken hinauf. Ihn erwarteten Schwierigkeiten. Miller war sein Vorgesetzter – er konnte Mitarbeiter einstellen und feuern. Vielleicht hatte er etwas Falsches getan. Vielleicht hatte er ein Gesetz gebrochen. Ein Verbrechen begangen. Aber welches?
    Was kümmerte sich Miller um sie? Was ging dies Terran Development an?
    Er öffnete die Tür zu Millers Büro. „Hier bin ich, Mr. Miller“, murmelte er. „Was ist

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