Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
verriegelte sie per Hand.
    Während sich das Schiff in den Nachmittagshimmel erhob, überflog er widerwillig die Berichte und die Unterlagen, die ihm Chai überreicht hatte.
    Die Tinkeristen bildeten eine kleine Kultgemeinschaft; sie besaßen nur ein paar hundert Anhänger, die alle aus der Techno-Klasse stammten, die von allen sozialen Kasten am meisten verachtet wurde. Die Barden standen natürlich an der Spitze; sie waren die Lehrmeister der Gesellschaft, die Heiligen Männer, die die Menschheit zur Vollkommenheit führten. Dann die Poeten; sie hatten aus den berühmten Legenden von Elron Hu die Mythen geschaffen, Elron Hu, der – den Legenden nach – in den furchtbaren Tagen der Zeit des Wahnsinns gelebt hatte. Unter den Poeten befanden sich die Künstler; dann kamen die Musiker, gefolgt von den Arbeitern, die die Robotcrews überwachten, danach die Geschäftsleute, die Soldaten, die Bauern und, ganz am Ende, die Technos.
    Die meisten Technos gehörten der kaukasischen Rasse an – große, weißhäutige Kerle, unglaublich behaart, wie Affen. Tatsächlich war ihre Ähnlichkeit mit den Menschenaffen verblüffend. Vielleicht hatte Zerbrochene Feder recht; vielleicht kreiste Neandertalerblut in ihren Adern und verwehrte es ihnen, die Vollkommenheit zu erreichen. Sung-wu hatte sich immer für einen Anti-Rassisten gehalten; er verabscheute jene, die behaupteten, daß die Weißen eine spezifische Rasse seien. Die Extremisten glaubten, daß die Spezies auf ewig geschädigt werden würde, wenn man es den Weißen erlaubte, sich mit Angehörigen anderer Klassen zu verheiraten.
    Wie dem auch sei, das Problem war rein akademischer Natur; keine anständige Frau aus den höheren Klassen mit einem Funken Ehre im Leib – ob nun Inderin oder Mongolin oder Bantu – würde sich von einem Kauk anrühren lassen.
    Unter dem Schiff erstreckte sich die öde Landschaft in all ihrer Häßlichkeit und Leere. Noch immer waren große rote, erst halb überwucherte Flecken und Schlackengebiete sichtbar – aber inzwischen waren die meisten Ruinen von Staub und Klettergras bedeckt. Da und dort entdeckte er Männer und Roboter bei der Feldarbeit; Dörfer, zahllose winzige braune Ringe in den grünen Feldern; hin und wieder die Ruinen alter Städte – klaffende Löcher, die an zahllose Mäuler erinnerten und sich ewig gen Himmel öffneten. Nie würden sie sich schließen.
    Vor ihm lag das Detroiter Gebiet, das seinen Namen, wie es hieß, dem eines inzwischen vergessenen religiösen Führers zu verdanken hatte. Hier gab es viele Dörfer. Zu seiner Linken breitete sich die bleierne Oberfläche eines Gewässers aus, eine Art See. Was dahinter lag – das wußte nur Elron. Niemand wagte sich so weit; dort existierte kein menschliches Leben, es gab nur wilde Tiere und verunstaltete Kreaturen, von der Strahlung verändert, die noch immer schwer über dem Norden lastete.
    Er ließ das Schiff sinken. Rechts von ihm lag ein freies Feld; ein Robotfarmer pflügte mit einem Metallhaken, der an seiner Hüfte befestigt war, ein Teil irgendeiner beschädigten Maschine. Der Roboter hielt in seiner Arbeit inne und blickte erstaunt nach oben, als Sung-wu unbeholfen das Schiff landete und es rumpelnd zum Stillstand kam.
    „Vollkommenheit sei mit dir“, knarrte der Roboter pflichtbewußt, nachdem Sung-wu hinausgeklettert war.
    Sung-wu hatte die Berichte und Unterlagen gebündelt und in einer Aktentasche verstaut. Er schlug nun die Schiffsluke zu und näherte sich hastig den Ruinen der Stadt. Der Roboter fuhr fort, den rostigen Metallhaken durch den harten Boden zu ziehen, die zernarbte Gestalt gebeugt, langsam, schweigend, klaglos arbeitend.
    „Wohin, Barde?“ piepste ein kleiner Junge, als sich Sung-wu mühselig seinen Weg durch den verfilzten Unrat und die Schlacke bahnte. Er war ein kleiner, schwarzgesichtiger Bantu und mit roten, zusammengenähten Lumpen bekleidet. Wie ein junger Hund lief er neben Sung-wu her, hüpfte und sprang und lächelte mit strahlend weißen Zähnen.
    Sung-wu reagierte gerissen; seine Verbindung mit jenem schwarzhaarigen Mädchen hatte ihn gezwungen, sich wichtige Kniffe und Ausreden anzueignen. „Mein Schiff ist beschädigt“, erklärte er vorsichtig; dies war gewiß unverdächtig. „Es war das letzte Schiff auf unserem Landefeld, das noch in Betrieb war.“
    Der Junge hüpfte und lachte und brach Zweige von dem grünen Buschwerk ab, das entlang des Weges wuchs. „Ich kenne jemanden, der es reparieren kann“, rief er

Weitere Kostenlose Bücher