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Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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können; es würde Jahre kosten – und ihm standen keine Jahre zur Verfügung.
    Er verließ den Scanner und kehrte zu seinem Schwager zurück. „Danke“, murmelte er undeutlich.
    Mit einmal erschien etwas wie Mitleid auf Fei-p’angs energischen braunen Gesichtszügen. „Schlechte Neuigkeiten? Der nächste Wechsel bringt eine unglückselige Manifestation?“
    „Schlecht wäre noch geschmeichelt ausgedrückt.“
    Fei-p’angs Mitleid wich wieder selbstgerechtem Hochmut. „Die ganze Schuld trifft allein dich“, erklärte er ernst. „Du weißt, daß dein Verhalten in dieser Manifestation die nächste bestimmt; wenn dich eine Zukunft als niederes Tier erwartet, dann solltest du deine Taten überprüfen und dir deine Fehler ins Gedächtnis zurückrufen. Das kosmische Gesetz, das uns beherrscht, ist unparteiisch. Es ist die wahre Gerechtigkeit: Ursache und Wirkung. Was du tust, bestimmt, was aus dir wird – es gibt keine Schuld und kein Mitleid. Nur Einsicht und Reue.“ Seine Neugier machte sich bemerkbar. „Was wird denn aus dir? Eine Schlange? Ein Eichhörnchen?“
    „Das geht dich nichts an“, wies ihn Sung-wu zurecht, während er sich unglücklich dem Ausgang näherte.
    „Ich werde selber nachschauen!“
    „Von mir aus.“ Mürrisch betrat Sung-wu den Korridor. Die Verzweiflung machte ihn benommen; es hatte sich nichts geändert, es war alles wie zuvor.
    In acht Monaten würde er sterben, einer der zahllosen Seuchen zum Opfer fallen, die in den bewohnten Teilen der Welt wüteten. Er würde Fieber und rote Flecken am ganzen Körper bekommen und sich unter Krämpfen im Delirium winden. Seine Eingeweide würden heraustreten, sein Fleisch würde verfaulen, seine Augen würden ausfallen, und nach einer endlosen Zeit des Leidens würde er sterben. Seinen Leichnam würde man mit Hunderten anderen in einem Massengrab verscharren. Ganze Straßenzüge entvölkerte der Tod, und die Kadaver wurden von einem der Robotkehrer fortgekarrt, der das Glück hatte, immun zu sein. Seine sterblichen Überreste würden dann in den Außenbezirken der Stadt auf einem öffentlichen Müllplatz verbrannt werden.
    Währenddessen würde der göttliche Funke, Sung-wus unsterbliche Seele, diese Raum-Zeit-Manifestation verlassen und zur nächsten eilen. Aber er würde nicht aufsteigen, sondern sinken; mit dem Scanner hatte er seinen Abstieg schon oft beobachtet. Immer erwartete ihn das gleiche abscheuliche Bild – ein Bild, dessen Schrecken sein Vorstellungsvermögen überstieg-, wie seine Seele wie ein Stein stürzte, bis in eines der niedrigsten Kontinua, in eine Kloake am tiefsten Punkt der Leiter.
    Er hatte gesündigt. In seiner Jugend. Sung-wu hatte sich in ein schwarzäugiges Mädchen mit langem, wallendem Haar verliebt, ein glitzernder Wasserfall, der sich über Rücken und Schultern wälzte. Lockende rote Lippen, volle Brüste, Hüften, die eine unmißverständliche Einladung aussprachen. Sie war die Frau eines Freundes aus der Soldatenklasse, aber er hatte sie zu seiner Geliebten gemacht; er war sicher gewesen, genug Zeit zu haben, um dieses Vergehen zu büßen.
    Aber er hatte sich geirrt; das Rad würde sich bald für ihn drehen. Die Seuche – sie ließ ihm nicht die Zeit, um zu fasten und zu beten und Gutes zu tun. Er war verdammt hinabzusteigen, geradewegs auf einen trag dahinrollenden, faulig stinkenden Planeten unter dem modrigen Licht einer roten Sonne, ein Ort voll Schmutz und Unrat und unendlichem Schleim – eine Dschungelwelt der niedrigsten Ordnung.
    Auf ihr würde er eine große Schmeißfliege mit durchsichtigen Flügeln sein, ein summender Aasfresser, der brummte und tanzte und über den verrottenden Kadaver einer ungeheuren Eidechse krabbelte, die im Kampf getötet worden war.
    Aus diesem Sumpf, diesem verseuchten Planeten in einem kranken, vergifteten System, mußte er wieder den qualvollen Aufstieg über die endlosen Sprossen der kosmischen Leiter in Angriff nehmen, die er längst schon erklommen hatte. Es hatte Äonen gedauert, diese Höhe zu erreichen, wo er als menschliches Wesen auf dem Planeten Erde unter dem hellen gelben Licht der Sonne Sol leben konnte; und nun mußte er wieder von vorn beginnen.
     
    „Elron sei mit Ihnen“, funkte Chai, als das korrodierte Beobachtungsschiff von der Robotcrew durchgecheckt wurde und schließlich die Flugfreigabe erhielt. Langsam betrat Sung-wu das Schiff und setzte sich vor die Überreste des Kontrollpultes. Lustlos winkte er noch einmal, schloß dann die Luke und

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