Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
wird.
    Viertens! Wo bist du? Auf einer Sprosse der kosmischen Leiter.
    Fünftens! Wo bist du gewesen? Auf zahllosen anderen Sprossen; jede Drehung des Rades hat dich auf- oder absteigen lassen.
    Sechstens! Was bestimmt die Richtung der nächsten Drehung? Dein Verhalten in dieser Manifestation.
    Siebtens! Was ist richtiges Verhalten? Wenn man sich den ewigen Mächten, den kosmischen Elementen unterwirft, die den göttlichen Plan aufgestellt haben.
    Achtens! Welche Bedeutung hat das Leiden? Es läutert die Seele.
    Neuntens! Welche Bedeutung hat der Tod? Er befreit den Menschen aus dieser Manifestation, damit er vielleicht eine neue Sprosse der Leiter erklimmen kann.
    Zehntens …“
    Aber in diesem Moment verstummte Sung-wu. Zwei quasimenschliche Geschöpfe näherten sich ihm. Riesige, weißhäutige Gestalten, die über die kargen Felder, durch die Zwischenräume zwischen den mageren Getreidestauden schritten.
    Technos – und er war ihr Ziel; seine Muskeln verkrampften sich. Kauks. Ihre Haut war bleich und ungesund, wie die von Nachtinsekten, die an der dunklen Unterseite eines Steines klebten.
    Er richtete sich auf, bezwang seine Verachtung und bereitete sich darauf vor, sie zu begrüßen.
    „Klarheit!“ rief Sung-wu. Er konnte sie riechen, ein moschusartiger Schafsgeruch ging von ihnen aus, als sie vor ihm stehenblieben. Zwei Böcke, zwei gigantische, schwitzende Männer mit feuchter, klebriger Haut, mit Bärten und langem, ungekämmtem Haar. Sie trugen Hosen aus Segeltuch und Stiefel. Mit Entsetzen nahm Sung-wu die dichte Behaarung auf ihren Brustkörben wahr, die wie wollene Matten wirkte – Büschel wucherten in ihren Achselhöhlen, auf ihren Armen, Handgelenken, selbst auf ihren Handrücken. Vielleicht hatte Zerbrochene Feder recht; vielleicht hatte in diesen großen, ungefügen, blondhaarigen Kreaturen der Neandertaler – der falsche Mensch – überlebt. Fast konnte er den Affen sehen, der ihm aus den blauen Augen entgegenstarrte.
    „Hallo“, grüßte der erste Kauk. Nach einem Moment fügte er nachdenklich hinzu: „Mein Name ist Jamison.“
    „Pete Ferris“, grunzte der andere. Keiner von ihnen beiden zeigte die gewohnte Unterwürfigkeit; Sung-wu blinzelte, aber es gelang ihm, seine Abscheu zu unterdrücken. War es eine bewußte, versteckte Beleidigung oder nur Gleichgültigkeit? Es war schwer zu sagen; in den unteren Klassen gab es, wie Chai behauptete, eine häßliche Unterströmung aus Neid und Groll und sogar Feindseligkeit.
    „Ich mache nur eine Routineuntersuchung“, erklärte Sung-wu. „Es geht um die Geburts- und Todesraten in den umliegenden Gebieten. Ich werde ein paar Tage hierbleiben. Können Sie mir eine Unterkunft besorgen? Vielleicht in einem öffentlichen Gasthaus oder in einem Wohnheim?“
    Die beiden Kauks schwiegen eine Weile. „Warum?“ fragte dann einer von ihnen grob.
    Sung-wu blinzelte. „Warum? Warum was?“
    „Warum führen Sie diese Untersuchung durch? Wenn Sie irgendwelche Informationen benötigen, werden wir sie Ihnen besorgen.“
    Sung-wu war fassungslos. „Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie sprechen? Ich bin ein Barde! Sie stehen zehn Klassen unter mir, und wie können Sie es dann wagen …“ Er zitterte vor Zorn. In diesen abgelegenen Gebieten hatten die Technos vollkommen vergessen, was für einen niedrigen Status sie besaßen. Was war mit den örtlichen Barden? Ließen Sie etwa tatenlos zu, daß das System zusammenbrach?
    Er erbebte heftig bei der Vorstellung, daß sich die Technos und Bauern und Geschäftsleute vermischen konnten – und sogar untereinander heiraten und an den gleichen Orten essen und trinken. Die gesamte Struktur der Gesellschaft würde zerstört werden. Der Gedanke, daß alle die gleichen Fahrzeuge und die gleichen Häuser benutzen durften, überstieg seine Vorstellungskraft. Plötzlich blitzte ein alptraumhaftes Bild in ihm auf, und Sung-wu sah die Technos mit Frauen aus der Barden- und Poeten-Klasse zusammenleben und sie heiraten. Er sah eine horizontal aufgebaute Gesellschaft, in der alle Personen auf derselben Stufe standen, und Entsetzen befiel ihn. Dies verstieß gegen die Gesetze des Kosmos, gegen den göttlichen Plan; es war wie in der Zeit des Wahnsinns. Er schauderte.
    „Wo befindet sich der Manager dieses Gebietes?“ fragte er. „Bringen Sie mich zu ihm; ich werde persönlich mit ihm reden.“
    Die beiden Kauks drehten sich um und bewegten sich wortlos in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Nach einem Moment der

Weitere Kostenlose Bücher