Eine Handvoll Dunkelheit
sorglos.
Sung-wus Pulsschlag beschleunigte sich. „Oh?“ murmelte er scheinbar uninteressiert. „Es gibt hier also Menschen, die die fragwürdige Kunst des Reparierens beherrschen?“
Der Junge nickte feierlich.
„Technos?“ bohrte Sung-wu weiter. „Gibt es viele von ihnen hier in den alten Ruinen?“
Weitere schwarzgesichtige Jungen und einige kleine, dunkeläugige Bantu-Mädchen krochen aus den Trümmern und Ruinen hervor.
„Was ist los mit Ihrem Schiff?“ rief einer von ihnen respektlos. „Fliegt es nicht mehr?“
Alle rannten und schrien, umringten ihn, während er langsam weiterging – eine ungewöhnlich wilde, vollkommen undisziplinierte Horde. Sie hüpften und balgten sich und tobten und schubsten einander, als hätten sie den Verstand verloren.
„Wer von euch“, fragte Sung-wu, „hat bereits die erste Instruktion erhalten?“
Unvermittelt trat schuldbewußte Stille ein. Die Kinder sahen einander unbehaglich an; keines antwortete.
„Heiliger Elron!“ stieß Sung-wu entsetzt hervor. „Seid ihr denn noch nicht unterrichtet worden?“
Schuldbewußt senkten die Kinder die Köpfe.
„Wie wollt ihr euch denn dann mit dem Kosmischen Willen in Einklang bringen? Wie den göttlichen Plan kennenlernen? Das ist ja wirklich unglaublich!“
Er wies mit einem seiner dicken Finger auf einen der Jungen. „Bereitest du dich ständig auf das Leben vor, das dich erwartet? Reinigst du dich ständig und tust du Buße? Entsagst du dem Fleisch, dem Sex, der Unterhaltung, der Gier nach Geld, der Bildung, der Muße?“
Aber es war offensichtlich; ihr unbeschwertes Gelächter und Spiel verrieten, daß sie noch immer unreif, weit entfernt von der Klarheit waren – und Klarheit ist der einzige Weg für einen Menschen, um den ewigen Plan zu verstehen, das kosmische Rad, das sich immerwährend und für alle Lebewesen dreht.
„Schmetterlinge!“ schnaubte Sung-wu verächtlich. „Ihr seid nicht besser als die Tiere und Vögel auf den Feldern, die sich nicht um das Morgen kümmern. Ihr spielt und lebt in den Tag hinein und vergeßt darüber die Zukunft. Wie Insekten …“
Aber der Gedanke an die Insekten erinnerte ihn an die blaue Fliege mit den schimmernden Flügeln, die über den verwesenden Kadaver einer Eidechse krabbelte, und Sung-wus Magen zog sich zusammen; mit Mühe entspannte er sich wieder und ging weiter, näherte sich den Häusern, die sich in der Ferne in die Höhe reckten.
Überall auf den kargen Feldern arbeiteten die Bauern. Eine dünne Humusschicht über Schlacke; spärlich verteilte Getreidehalme, dünn und wenig ertragreich, schwankten im Wind. Es war ein schrecklicher Boden, schlechter als alle Böden, die er jemals gesehen hatte. Er konnte das Metall unter seinen Füßen spüren; es lag fast an der Oberfläche. Gebückt dastehende Männer und Frauen bewässerten die kümmerliche Saat und benutzten dazu Zinnbehälter, die sie in den Ruinen gefunden hatten. Ein Ochse zerrte einen schwerfälligen Karren vorwärts.
Auf einem anderen Feld jäteten Frauen mit den Händen das Unkraut; alle bewegten sich langsam und arbeiteten mit ungewöhnlichem Ernst. Diese Männer und Frauen wurden einer harten Prüfung unterzogen; wahrscheinlich waren ihre Seelen bis zu einem ungewöhnlichen Grade schuldbeladen. Im Schatten, neben der dösenden Mutter, lag ein Baby. Fliegen krabbelten über seine Augen; die Mutter atmete schwer, heiser, mit offenem Mund. Ein ungesunder Glanz bedeckte ihre braunen Wangen.
„Kommt“, rief Sung-wu mit scharfer Stimme der Horde schwarzgesichtiger Kinder zu, die ihm in einigem Abstand folgten. „Ich möchte mit euch reden.“
Die Kinder erreichten ihn, die Blicke auf den Boden gerichtet, und bildeten um ihn einen stummen Kreis. Sung-wu ließ sich nieder, stellte die Aktentasche neben sich und verschränkte kunstfertig die Beine in der traditionellen Haltung, die Elron in seinem Siebten Buch des Wissens beschrieben hatte.
„Ich werde euch Fragen stellen, und ihr werdet sie beantworten“, erklärte Sung-wu. „Ihr kennt den grundlegenden Katechismus?“
Ein, zwei Arme glitten in die Höhe. Die meisten Kinder wandten unbehaglich die Augen ab.
„Erstens!“ fauchte Sung-wu. „Wer bist du? Du bist das kleinste Teilchen des kosmischen Planes.
Zweitens! Was bist du? Nur ein Staubkorn in einem Ganzen, das so groß ist, daß es jegliches Vorstellungsvermögen übersteigt.
Drittens! Was ist der Sinn des Lebens? Das zu erfüllen, was von den kosmischen Mächten verlangt
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