Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
ihr.
Das war nicht schlimm. Antonia war ebenfalls bewaffnet.
Sie ging zumindest davon aus, dass es sich bei dem verschlagenen Weibsbild um jene handelte, die Michael und Lawrence hinters Licht geführt hatte. Das war ein ziemliches Husarenstück. Es war wohl ratsam, wenn Antonia sie nicht unterschätzte.
Dann war diese Frau ebenfalls jene, die ihr vielleicht endlich die erforderliche Information geben konnte, wo sie Roget fand.
»… war eine ziemlich unglückliche Wendung. Das Wetter war wenig hilfreich, und ich war wegen der unpassierbaren Straßen über Nacht in Reading gestrandet.«
Lady Longhaven sagte steif: »Unglücklich wegen Ihrer Pläne? Oder unglücklich für ein verängstigtes Kind, das Sie im Stich gelassen haben?«
»Woher sollte ich wissen, dass die Mutter nicht wie versprochen zurückkam?«
Durch den Türspalt konnte Antonia Michaels Frau sehen. Ihre schlanke Gestalt zitterte, sie hatte die Hände zu Fäusten geballt und reckte trotzig das Kinn. »Vielleicht hätten Sie schon vorher die Verlässlichkeit infrage stellen können. Immerhin war sie bereit, Ihnen das Kind zur Verfügung zu stellen, damit Sie es für Ihre Erpressung missbrauchten. Sie ist wohl kaum eine verantwortungsvolle Mutter.«
Es passierte selten, aber widerstrebend musste Antonia sich eingestehen, dass sie Julianne Hepburn bewunderte. Sie brach nicht zusammen, obwohl sie dem Tod ins Auge sah.
Es gab immer ein erstes Mal. Sei es die Begegnung mit dem Tod oder die erste Zusammenkunft mit einem Liebhaber.
Das tiefe Dunkelblau vom Seidenkleid der Marchioness bildete einen Kontrast zu ihrer alabasterfarbenen Haut, die vor Angst blasser war. Aber sie wich nicht zurück, als die Frau, die sich als Dienerin verkleidet hatte, ihre Waffe auf sie richtete. »Euer Ehemann ist nicht so leicht zu ermorden. Schwierige Aufgaben erfordern andere Druckmittel. Ich denke, nach Eurem Tod wird er das Spiel etwas besser verstehen. Ich hatte eigentlich gehofft, meine Anonymität wahren zu können. Aber ich glaube, inzwischen hat auch er seine Schlüsse gezogen.« Die Frau – sie stand mit dem Rücken zu Antonia – zuckte mit den Schultern. »Ich hatte ohnehin vor, Euch irgendwann umzubringen.«
»Dann macht schon.« Julianne Hepburn rührte sich nicht. »Ich werde Sie nicht anflehen, damit Sie dies gegen meinen Ehemann verwenden.«
Que? Die Närrin! Was hatte sie vor? Verärgert erkannte Antonia, dass sie umgehend handeln musste. Das kam ihr ungelegen. Ihr Ziel war Roget, und wenn sie Alice Stewart tötete, dann bekam sie wohl nie, was sie wollte.
Das Klicken, als die Waffe gespannt wurde, war in dem Raum unerträglich laut. Ebenso laut knallte die Tür auf, als Antonia sie aufstieß und ihr Messer mit tödlicher Treffsicherheit warf. Sie hatte in der schwersten Schule gelernt, die man sich denken konnte: das Leben.
Das Messer traf Mrs. Stewart zwischen den Schulterblättern. Im selben Moment ging die Pistole los, und die Kugel schlug quer. Die Frau versteifte sich und wirbelte herum, aber der Wurf war gut gezielt. Mit einem Arm fuhr sie zum Rücken, als könnte sie das Messer einfach herausziehen. Sie stolperte ein paar Schritte, ehe sie auf den Boden stürzte. Die Pistole glitt ihr aus der Hand. Antonia betrat den Raum und kniete sich neben die gefallene Frau. Sie ignorierte die schneeweiße und zitternde Lady Longhaven, die nur wenige Schritte entfernt stand.
»Sag mir, wer er ist«, drängte sie. Aber auf Mrs. Stewarts Lippen bildete sich blutiger Schaum, und ihre Atmung war unregelmäßig. Aus geweiteten Augen starrte sie zu ihr auf, doch sie wurden bereits glasig. Der Tod war nah. »Ich will Roget. Du schuldest ihm nichts, bist ihm nicht zur Treue verpflichtet. Wenn ihr Verbündete wart, hätte er dir geholfen, Longhaven zu ermorden. Wie lautet sein Name?«
Das teuflische Weib antwortete nicht. Ihr Kopf kippte haltlos zur Seite.
Antonia fluchte laut auf Spanisch, bemerkte jedoch das Blut, das auf den Saum ihres Kleids tropfte. Sie stand auf, zog mit einer Kraftanstrengung das Messer aus der Wunde und wischte es an der weißen Haube der Dienerin sauber. Dann hob sie den Rock und schob das Messer wieder in die Scheide, die sie immer an ihren Oberschenkel gegürtet trug. Verbittert erklärte sie: »Das ist nicht so gelaufen, wie ich wollte.«
Sie musste Lady Longhaven zugutehalten, dass sie darauf nur mit einem erstickten Laut antwortete. Zum Glück fiel sie nicht in Ohnmacht. Frauen, die in Ohnmacht fielen, konnte Antonia nämlich
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