Eine Hexe in Nevermore
Carrie bei ihm. Annalise zog mit ihrer Partnerin Onna nach Denver, wo sie gemeinsam ein Kunststudio eröffneten. Kenneth heiratete ein Mädchen aus dem Ort und übernahm die Farm seines Schwiegervaters im Norden der Stadt. Doreen heiratete gleich nach der Schule, ließ sich ein Jahr später scheiden und heiratete ein Jahr später wieder. Und so weiter und so fort. Er bekam nicht mehr zusammen, wie oft sie inzwischen geheiratet hatte. Schließlich hatte sie festgestellt, dass sie verliebt in die Liebe war, und hatte sich als Hochzeitsplanerin in Las Vegas selbstständig gemacht.
Doch dann kippte alles – der Dominoeffekt.
Gray Calhoun kehrte nach Nevermore zurück und zog bei seinem Großvater ein. Der erste Stein kippte um. Sheriff Billings beschloss, in den Ruhestand zu gehen und nach Florida zu ziehen. Der zweite Stein kippte um. In derselben Woche verschlechterte sich Grits Gesundheitszustand, und Gray brachte ihn zu Leticia nach Washington. Diverse große Heiler wurden zurate gezogen. Ein paar Tage später kam Gray zurück, er sah ausgezehrt und erschöpft aus und informierte alle darüber, dass er der neue Hüter war. Der nächste Stein kippte um. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand darin, Taylor zum neuen Sheriff zu ernennen. Der nächste Stein kippte um. Knapp einen Monat, nachdem Taylor in Amt und Würden war, stürzte seine Mutter. Sie starb auf dem Küchenfußboden. Allein.
Rums.
Es war wie eine Verkettung unglücklicher Umstände. Taylors Mutter war am Kuchenbacken gewesen. Ihr fiel ein Ei aus der Hand, und sie rutschte darauf aus. Dabei stieß sie mit dem Kopf so unglücklich gegen die Anrichte, dass sie bewusstlos zu Boden stürzte. Dieser Sturz war das Ende.
Nach der Beerdigung fragte Carrie, ob sie nicht zu Annalise und Onna ziehen dürfe, und Taylor half ihr packen. Sie blieb in Denver und war jetzt die Geschäftsführerin der Galerie. Taylor machte keinem seiner Geschwister Vorwürfe, dass sie ihn so selten besuchten. Er selbst sah fast jedes Mal, wenn er in die Küche ging, wie seine Mutter dort gelegen hatte. Bis heute vermied er es, die Küche zu betreten, wenn es nicht unbedingt sein musste.
Ant wohnte immer noch bei ihm. Er war jetzt neunzehn und hatte großen Spaß an der Landarbeit. Er legte Gärten an, ganze Landschaften. Manchmal kam Taylor sich darin vor wie in Alices Wunderland. Natürlich war die Farm schon lange keine Farm mehr. Taylor hatte den Großteil des Grunds verkauft, und auch die Rinder. Jetzt gehörten ihnen nur noch das große Haus, die kleine Scheune und ein paar Hektar Land – das genügte auch. Die Scheune erfüllte ihren Zweck, denn Ant kümmerte sich um streunende Tiere. Egal wie schwer verletzt, krank oder hässlich sie waren – er nahm alle auf.
Ja, jetzt lebten nur noch er und Ant in dem großen Haus. Es war meistens sehr ruhig dort und schrecklich einsam.
»Scheiße.« Taylor rieb sich mit einer Hand das Gesicht. Warum kamen ihm jetzt all diese Erinnerungen? Die Vergangenheit war passé. Er konnte nichts daran ändern. Sein Magen zog sich zusammen. Er wurde dieses ungute Gefühl nicht los. Ihm war klar: Die folgenden Ereignisse würden sein Leben auf den Kopf stellen.
Er stand auf und ging hinüber zum Fenster. Dank Arlene war im Büro alles blitzblank. Sie ließ einen Fensterputzer kommen und konnte ein Staubkorn aus einem Kilometer Entfernung entdecken. Also widerstand er dem Impuls, sich an die Scheibe zu lehnen. Er starrte auf die leere Straße. Fast alle Tage waren so wie dieser. Nur ein paar kleine Streitigkeiten, ab und zu mal ein Strafzettel, dann Lunch bei Ember, Papierkram.
Seit Gründung der Stadt befand sich das Büro des Sheriffs im selben Gebäude, das allerdings inzwischen mehrfach renoviert und baulich verändert worden war. Taylor war der einzige Ordnungshüter in der Stadt. Sein Kollege und Hilfssheriff Terrence, den alle nur Ren nannten, war nur unregelmäßig da. Sowohl magische als auch weltliche Personen hatten ihre Positionen seit Jahren inne.
Taylor war stolz darauf, Sheriff von Nevermore zu sein.
Er ließ seinen Blick zu den dunklen Fenstern des Piney Woods Cafés wandern, das schräg gegenüber von seinem Büro lag. Es war das erste Gebäude, das in Nevermore errichtet worden war. Dank Cathleen sah es mittlerweile entsprechend heruntergekommen aus. Taylor konnte es immer noch nicht fassen, dass Gray das Café geschlossen hatte. Er mochte Cathleen Munch auch nicht – aber ob es die richtige Maßnahme war, ihren Laden
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