Eine Hexe mit Geschmack
Erste, was sie dort tat,
war mich zu waschen. Es dauerte sechs lange Stunden, um den Schmutz
wegzubekommen, der sich in achtzehn Jahren angesammelt hatte und das Gewirr von
Haaren auf meinem Kopf zu schneiden. Als sie schließlich fertig war, stellte
sie mich vor einen kleinen Spiegel und runzelte die Stirn.
»Nein, nein, nein. Das gefällt mir
nicht. Das gefällt mir überhaupt nicht.«
Der Effekt, den dies auf mein
Selbstbewusstsein hatte, war unmittelbar und niederschmetternd. Ich hatte immer
gewusst, dass ich ein grauenhaftes Wesen war. Doch die Grausige Edna war selbst
keine Schönheit, und solch ein angewiderter Tonfall konnte nur bedeuten, dass
der Fluch des Fiesen Larry wirklich ganz nach Wunsch bei mir funktioniert
hatte.
»Du bist nicht hässlich, Kind«,
korrigierte sie sich. »Du bist ziemlich« - ihr langes Gesicht verzog sich zu
einer Grimasse - »hübsch.«
Ich hatte es noch nicht gewagt, in
den Spiegel zu sehen, aus Angst, durch meine eigene Scheußlichkeit in den
Wahnsinn getrieben zu werden. Jetzt riskierte ich aber doch einen Seitenblick
aus dem Augenwinkel. Es war zwar nicht der Anblick, den ich erwartet hatte und
der einem allen Verstand geraubt hätte, aber er war doch immer noch um einiges
von hübsch entfernt.
»Aber was ist mit denen hier?« Ich
legte die Hände über die dicken Fetthügel auf meiner Brust.
»Das sind Brüste«, sagte die
Grausige Edna. »Es ist normal, dass sie da sind.«
»Aber sie sind so ... so ...«
»Rund. Fest.« Sie seufzte. »So
sollten sie auch sein. Ideal.«
Es fiel mir schwer, das zu
glauben, aber ich würde jetzt nicht mit der Person streiten, die mich aus
meiner einsamen Existenz gerettet hatte.
»Und dieses Hinterteil«, murmelte
sie. »Man könnte ein Goldstück daran abprallen lassen.«
»Aber meine Haut ist blass«, bot
ich an, im Versuch, ihr zu gefallen.
»Sie ist nicht blass, Liebes. Sie
ist alabasterfarben.« Dann umrundete sie mich zweimal und sah mit jedem Moment
enttäuschter aus. »Und ich glaube nicht, dass ich je Augen
von solchem Grün gesehen habe!
Oder Lippen, die so voll und weich gewesen wären. Und dein Haar: Ich habe es
mit jahrealter Seife gewaschen und es ist immer noch so weich wie Spinnfäden.«
Sie trat nahe an mich heran und schnupperte. »Es riecht nach Sonnenblumen.«
»Was ist mit meinen Zähnen? Sie
sollten doch sicher nicht so aussehen.«
Sie prüfte mein Zahnfleisch und
die Zähne mit den Fingern. »Nein, Liebes. Du hast ganz recht. Die sind ein
bisschen zu scharf. Aber das ist kein echter Makel, und abgesehen davon sind
sie hübsch und weiß. Das Zahnfleisch sieht auch gut aus. Die Zunge ist leicht
gespalten, aber nur, wenn man genau hinsieht.«
Sie befahl mir, mich zu setzen,
immer noch nackt und leicht feucht vom Bad.
»Bist du sicher, dass du dein
ganzes Leben in diesem Keller verbracht hast?«
Ich nickte.
»Keine Bewegung. Miserable Ernährung.
Leben im Schmutz. Und dennoch schaffst du es irgendwie so herauszukommen. Nicht
halb wahnsinnig jedenfalls, soweit ich das beurteilen kann.«
»Sie meinen, ich bin nicht
verflucht?«
»Oh doch, du bist ganz bestimmt
verflucht, Kind, und untot. Das ist mal sicher. Flüche manifestieren sich
allerdings auf vielen Arten, und sie sind nicht alle so schlecht. Vor allem
Todesflüche. Es ist knifflig genug, einen ordentlichen Fluch auszusprechen,
wenn man noch am Leben ist. Aber einen Fluch auszusprechen, während man gerade
seinen Geist aufgibt, erfordert schon ein gewisses Geschick. Offenbar hatte der
Magier, der deine Familie verfluchte, nicht so ganz die Kontrolle über seine
Magie, wie es eigentlich sein sollte. Der untote Teil kam zwar durch, aber das
Element mit der Scheußlichkeit hat es wohl nicht so recht geschafft. Die Magie
muss eine andere Vorstellung gehabt haben, wie das manchmal der Fall ist.«
Sie reichte mir ein Handtuch.
»Bedecke dich, Liebes. Ich kann es nicht länger ertragen, dich anzusehen.«
Ich tat, was mir gesagt wurde.
»Das ist das Problem mit den
Todesflüchen. Man sollte sie wirklich nicht benutzen, wenn man nicht das Gefühl
hat, dass sie es schaffen können. Es wirft nur ein schlechtes Licht auf uns
andere.«
Sie verbrachte einige Minuten damit,
in ihrem Stuhl zu schaukeln und sich die Lage durch den Kopf gehen zu lassen.
Mich überfiel ein beängstigender Gedanke. Ich wollte nicht in meinen Keller
zurückgeschickt werden, wenn ich es verhindern konnte. Da ich ohnehin keine
Wahl hatte, hatte ich mein Schicksal eben akzeptiert... Jetzt
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