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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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sagte ich.
    »So ähnlich, aber nicht ganz. Dies
war die Gegenwart, die zwar sein würde, aber nicht so sein muss, wie sie
würde.«
    Ich verstand es nicht, und dieser
letzte Teil des Gesprächs schwächte meinen Willen. Ich fing an zu weinen. Nur
ein paar Tränen. Ich erwartete, dass mich die Grausige Edna für diese
Zurschaustellung von Gefühlen schelten würde, aber sie wischte mir nur die
Tränen von der Wange. Dabei piekte sie mir außerdem ins Auge, aber das war
lediglich ein versehentliches Zucken ihres starren Arms. Der Stoß ließ mich
noch mehr weinen.
    »Die Zeit ist gekommen, Kind, dass
du deinen eigenen Weg gehst, dein eigenes Schicksal findest. Ich weiß, du hast
Angst, aber du wirst schon sehen, so beängstigend ist die Welt nicht. Und du
hast viel zu bieten. Du hast ein gutes Herz und einen gesunden
Menschenverstand. Diese Untoten-Sache ist wirklich eher unwesentlich, und du
bist ja eine ausgebildete Hexe. Ausgebildet genug, um deine unglückseligen
körperlichen Mängel überwinden zu können.«
    »Ich will nicht gehen. Ich will
lieber bleiben. Hier. Mit dir.«
    Sie lachte. Ihr wackelnder Leichnam
kippte beinahe vom Stuhl. »Leider muss ich bald gehen. Und das solltest du auch
tun. Die Dinge ändern sich, Liebes. Selbst für die ewig Jungen. Du kannst dich
nicht für immer vor der Welt verstecken. Ich weiß, dass du zurechtkommen wirst.
Eigentlich weiß ich sogar, dass du mir Ehre machen wirst.«
    Sie zwinkerte. Ihr Auge blieb
geschlossen.
    Ihre Stimme wurde zu einem
Flüstern. »Bevor ich gehe, habe ich drei Ratschläge für dich. Erstens, hüte
dich vor Sterblichen. Sie mögen vielleicht wenig Macht haben, aber sie sind
doch zahlreich.
    Zweitens, denk daran, dass die
Leute, ob Menschen oder Sonstige, abgesehen von wenigen Ausnahmen im Innersten
grundsätzlich gut sind. Behandle sie, wie du selbst behandelt werden möchtest,
und du wirst fast nie etwas falsch machen.
    Und drittens - das ist jetzt ein
Punkt, den du nie vergessen solltest: Füttere einen Troll und du wirst ihn nie
wieder los.«
    Sie lachte erneut.
    »Es ist beinahe Zeit. Wenn du
diesen Ort verlässt, folge dem Pfad um den See und durch die Hügel. Wenn du an
eine Weggabelung kommst, wirst du eine Entscheidung treffen müssen. Wende dich
nach Osten und du wirst den ersten Schritt machen, um meinen Tod wirklich zu
rächen. Oder selbst auf schreckliche Art sterben. Oder möglicherweise beides.
Die Magie drückt sich, was das betrifft, nicht ganz klar aus.
    Wende dich dagegen nach Norden,
und du wirst ein Leben in stiller Zufriedenheit und mit einfachen Freuden
finden. Mehr Glück als den meisten begegnet, aber weniger als du im Osten
finden könntest. Selbst mit dieser Möglichkeit eines entsetzlichen Todes. Dazu
ist die Magie ziemlich deutlich.
    Ich wünsche dir alles Gute, welche
Wahl du auch immer triffst. Und jetzt drück mich, bevor ich gehe.«
    Das jahrelange Leben mit der
Grausigen Edna hatte mich nicht auf diese Anweisung vorbereitet.
Zurschaustellungen von Zuneigung widersprachen zwar streng genommen nicht dem
Hexenkodex, aber sie war nie sehr liebevoll gewesen. Jedenfalls nicht auf die
kuschelige Art.
    »Nun komm schon, Kind. Ich habe
nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Zum ersten Mal in meinem Leben
schlang ich meine Arme um ihre ausladende Gestalt. Sie war eine große, massige
Frau. Mir war nie klargewesen, wie massig sie eigentlich war. Sie erwiderte
meine Umarmung mit einem steifen Arm, über den sie noch ein wenig Macht hatte.
    »Ich hab dich lieb«, wisperte ich.
    Das war ein weiteres erstes Mal.
    »Ich weiß, Liebes. Ich hab dich
auch lieb.«
    Sie erschauerte, als ihre Seele
aus ihrem Körper glitt. Ich fühlte sie gehen. Sie schwebte hinab in die kühle
Umarmung der Erde, wohin die Seele jeder guten Hexe ging.
    Ich schaffte es nicht, sie
loszulassen. Ich hielt ihren Leichnam fest, und obwohl es unhexenhaft war,
weinte ich lange Zeit.
     
    DREI
     
    Molch planschte in einem Fass mit
frischem Regenwasser herum. Obwohl er seine Wasservogel-Herkunft ablehnte, war
er doch Ente genug, um ein ordentliches Bad schätzen zu wissen. Ich beschattete
meine Augen vor dem Tageslicht.
    Er unterbrach sein Flügelputzen,
hob den Kopf und fragte: »Und?« »Es ist vorbei.«
    »Davon gehe ich aus, aber was hat
sie gesagt?« Ich erzählte ihm von dem Pfad und der Wahl, die ich treffen
musste. »Das ist alles?«
    »Nein. Sie sagte mir außerdem, ich
solle mich davor hüten, Trolle zu füttern.«
    »Das weiß doch jeder.« Er tauchte
kurz den

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