Eine Hexe zum Verlieben 3: Jaguare Küsst man nicht - Ein Elionore Brevent Roman (German Edition)
zu ignorieren, nur er muss ihn in epischen Breiten kommentieren), mein Auto (das trifft mich zum Glück weniger, ist ja schließlich Lothars Kiste), aber leider auch über meinen Intellekt. Während ich die beiden ersten Punkte geflissentlich ignorieren kann, bin ich bezüglich meiner Denkfähigkeit eigen.
Klara, unsere Tippse vom Dienst, meint, ich solle nachsichtig sein. Sie vermutet, dass Herr Dr. Wegener vielleicht in der Vergangenheit schlimme Erfahrungen mit Angehörigen des weiblichen Geschlechtes gemacht haben könnte und ich, nur durch meine bloße Anwesenheit, quälende Erinnerungen in seiner gepeinigten Seele auslösen könnte. Sie vermutet eine Projektion von vergangenem Leid (sein Problem) auf aktuelle Geschehnisse (mich).
Dazu muss ich sagen, dass Klara gerade ein Fernstudium zur psychologischen Beraterin macht und seitdem sämtliches menschliches Verhalten um sie herum analysiert. Das tut sie ständig und mit solch penetranter Beharrlichkeit, dass Lothar und ich manchmal unser Büro nicht mehr verlassen und alles telefonisch miteinander klären, um bloß nicht am Empfangstresen und somit an Dr. Klara vorbei zu müssen. Denn dann könnten wir wieder gucken/auf spezielle Art laufen/Schluckauf haben oder andere Dinge tun, die Klara dann bis auf das letzte atomare psychologische Molekül zerlegt.
Und nun mal ganz ehrlich: Wenn Klaras Theorie stimmt und bereits der Besitz von Brüsten Herrn Dr. Wegener zu diesem inakzeptablen Verhalten nötigt (ist alles unterbewusst, wie Klara mir mehrmals versicherte, kann er fast nix für), braucht der Mann dringend eine Therapie und keine Immobilienmaklerin. Aber gut, er hat die Hütte, ich habe sie verkauft. Er zahlt, ich bleibe freundlich – zumindest fünfundneunzig Prozent der Zeit und wenn es nicht gerade um meinen Intellekt geht.
Aber es ist früh, sehr früh, und düster starre ich für einen Moment mit hängenden Schultern aus dem Badezimmerfenster. Obwohl wir Juni haben, ist es immer noch dämmrig draußen. So früh ist es also. Brummend versuche ich meine Hand-Augen-Koordination in den Griff zu bekommen, scheitere aber leider kläglich, deshalb raufe ich nur kurz mein wirres Haupthaar und beschließe, keine weiteren Umwege mehr zu meinem ersten Kaffee zu machen. Mein Lebensmotto ist nämlich: «Schlaf ist kein adäquater Ersatz für Koffein.»
Etwas ungelenk schlüpfe ich also in eine herumliegende Jogginghose und laufe über den Flur zu meiner Küche. Auf meiner Küchentheke, auf der auch mein sprechender Kaffeevollautomat auf seinen Einsatz wartet, liegt ein schwarzer Jaguar. Einigermaßen irritiert bleibe ich in der Tür stehen, während meine Hand über dem Lichtschalter schwebt.
Mir ist schon klar, dass es sich um Vincent handelt – mein Freund, der Gestaltwandler, gerade in Jaguarform. Ansonsten rate ich beim Antreffen von auf dem Küchentresen herumliegenden Raubkatzen das Haus schleunigst und eventuell auch schreiend zu verlassen. Es ist also nicht der Jaguar, der offensichtlich zufrieden schnurrend mitten auf der Arbeitsplatte herumliegt, der mich so unglaublich verwundert, es ist die Uhrzeit, zu der er es tut.
Fragend werfe ich meiner Backofenuhr einen Blick zu, aber es bleibt dabei: sechs Uhr. Das ist sehr sonderbar. Um es auf den Punkt zu bringen: Vincent verwandelt sich ausschließlich nachts. Im Wald oder im Garten. Nicht im Haus, nicht tagsüber und schon gar nicht in der Zivilisation.
Es ist zwar früh, aber es ist definitiv Tag und zur Zivilisation würde ich mein Haus jetzt auch mal zählen. Und Katzen jeglicher Größe und Gattung gehören nicht auf die Küchentheke, basta!
«Was machst du da?», frage ich also und meine Stimme gibt bei diesen Worten ein seltsames Knarren von sich. Immer noch schlafende Stimmbänder, vermutlich.
Die Antwort ist ein Schnurren, was sich bei der Größenordnung des Tieres vor mir mehr nach einem grollenden Steinschlag in der Obermark anhört. Wie immer geht mir dieses Geräusch durch Mark und Bein. Der muskulöse Körper der Raubkatze streckt sich ein wenig und Vincent dreht elegant den Kopf in meine Richtung. Also wenn ich ein Jaguar-Weibchen wäre, würde ich mich umgehend vor Wonne ebenfalls schnurrend auf meinem Küchenfußboden herumrollen. Bin ich aber ja nun nicht, bin ein Menschen-Weib, insofern lässt mich der Anblick dann doch, zumindest hormonell betrachtet, kalt.
«Raus, Kater!», zische ich, aber statt meiner Aufforderung umgehend Folge zu leisten, beginnt die Magie der Verwandlung um
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