Eine hinreißend widerspenstige Lady
Franzosen ihr Bestes gegeben haben.“ Er ballte die Hände. „Aber er wird für den Rest seines Lebens hinken. Schon lange habe ich auf eine Gelegenheit gewartet, mich dafür zu revanchieren.“
Gar nicht weit entfernt, in einem anderen Viertel Kairos, stand ein eleganter Herr in mittleren Jahren an einem Fenster seines Hauses. Sein Blick war indes nicht nach draußen, sondern voller Ehrfurcht auf das gerichtet, was er in den Händen hielt.
Jean-Claude Duval war 1798 im Gefolge Napoleons nach Ägypten gekommen, denn mit den Soldaten war zugleich ein Heer von Naturkundlern, Gelehrten und Künstlern einmarschiert, die für die monumentale Description de l’Egypte verantwortlich zeichneten. Monsieur Duval war diese Gelehrtenarmee ein weiterer Beweis französischer Überlegenheit, denn anders als die barbarischen Briten strebten seine Landsleute nicht nur nach militärischer Eroberung, sondern auch nach geistiger Erleuchtung.
Er war vor Ort gewesen, als seine Landsleute den Stein von Rosette gefunden hatten, und dank seiner geistigen Überlegenheit hatte er dessen Wert sogleich erkannt. 1801 weilte er noch immer im Lande und musste miterleben, wie die Engländer die Franzosen bei Alexandria besiegten und den Stein mit der Behauptung an sich nahmen, ihn sich „ehrenhaft im Krieg verdient zu haben“.
Nun war er immer noch hier, und noch immer hasste er die Engländer aus ganzem Herzen und einer Vielzahl von Gründen -seit Kurzem auch dafür, den unverschämt glückreichen Giovanni Belzoni in ihre Dienste genommen zu haben -, aber dass sie den Franzosen den Stein von Rosette gestohlen hatten, wog nach wie vor am schwersten.
Seit zwanzig Jahren arbeitete Duval daran, das Gleichgewicht wiederherzustellen.
Aber obwohl er schon viele schöne Kunstschätze nach Frankreich geschickt hatte, hatte er doch noch nichts gefunden, das der Bedeutung der pierre de Rosette gleichkäme.
Bis jetzt.
Mit äußerster Umsicht entrollte er den Papyrus. Nicht ganz, nur gerade genug, um sich zu vergewissern, dass er auch der richtige war. Seine Leute hatten schon oft genug Mist gebaut. Aber diesmal hatte alles seine Ordnung - sein verlässlichster Handlanger Faruq war keineswegs dumm -, und Monsieur Duval rollte das Dokument mit derselben Umsicht wie zuvor und einem gewissen Maß an Missvergnügen wieder zusammen.
Als er ihn das erste Mal gesehen hatte, war ihm gleich klar gewesen, dass er es mit keinem gewöhnlichen Papyrus zu tun hatte. Trotzdem hatte er nie geglaubt, dass die Geschichte des Händlers Vanni Anaz den aberwitzigen Preis rechtfertigte. Nur äußerst ungebildete Menschen glaubten eine solche Geschichte. Alle anderen wussten, dass es bislang niemanden gab, der Hieroglyphen lesen konnte, woraus folgte, dass auch niemand wissen konnte, was in dem Papyrus geschrieben stand.
Dennoch: Es war ein seltenes Stück, und Duval wollte ihn unbedingt haben.
Doch bevor er den Diebstahl hatte in die Wege leiten können, war Miles Archdale, einer der besten Sprachgelehrten der Welt, in Anaz’ Laden aufgetaucht, hatte sich ganz ernsthaft die Geschichte von dem verborgenen Schatz und dem lang vergessenen Pharao angehört und, ohne mit der Wimper zu zucken, den aberwitzigen Preis gezahlt.
Man musste kein Sprachgenie sein, um zu dem Schluss zu gelangen, dass Miles Archdale den Schlüssel zur Entzifferung der Hieroglyphen gefunden hatte. Er hielt dies allerdings noch geheim, weil ihn dies zu weiteren großen Entdeckungen führen würde und er Ruhm und Ehre ganz für sich allein beanspruchen wollte.
Er hatte erkannt, dass dieser Papyrus ihn zu der größten aller Entdeckungen führen würde, größer als alles, was Belzoni aufgetan hatte, und von mindestens ebensolcher Bedeutung wie der Stein von Rosette - ein unberührtes Königsgrab, angefüllt mit Schätzen.
So dachte Duval, als er die Abschrift des Papyrus entrollte. Auf dem Rand fanden sich unzählige Anmerkungen in Englisch, Griechisch und Latein sowie seltsame Zeichen, allesamt unverständlich.
„Aber er wird es uns erklären“, murmelte er. „Jedes Wort. Die Bedeutung eines jeden Zeichens.“
Und wenn Archdale all seine Geheimnisse preisgegeben hätte, würde er sterben, und sein Leichnam würde niemals gefunden werden, denn die Wüste wahrte Geheimnisse noch besser als er. Schakale, Geier, Sonne und Sand ließen einen Leichnam erstaunlich schnell verschwinden.
Bis dahin jedoch würde Duval sich dieser verdrießlichen Komplikation annehmen müssen. „Das hier muss sofort
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