Eine hinreißend widerspenstige Lady
Person. Das ...“, ungnädig deutete sie auf ihr eindrucksvolles Gesicht, „bin nicht ich.“
„Ich weiß, was Ihr Problem ist“, sagte er und setzte sich auf den Diwan, keinen Armbreit von ihr entfernt. „Sie haben nicht genug Brüder. Je mehr man hat, desto nüchterner sieht man die Sache.“
„Werden Ihre Brüder etwa andauernd entführt?“, fragte sie gereizt. „Sollte ich das nüchtern sehen?“
„Nein, ich dachte eher an die Vielzahl der Vorfälle“, erwiderte Rupert. „Bei fünf Brüdern gibt es immer die eine oder andere Krise. Alistair beispielsweise hatte die leidige Angewohnheit, sich wegen Frauen finanziell zu ruinieren. Als er vor drei Jahren nach Derbyshire aufbrach, erwarteten wir daher, dass es abermals einen kostspieligen Zwischenfall gebe, und zerbrachen uns nicht weiter den Kopf.“ Er runzelte die Stirn. „Tatsächlich kam es dann doch schlimmer als erwartet.“
„Ach herrje!“, rief sie aus. „War Waterloo denn nicht genug? Was ist ihm in Derbyshire zugestoßen?“
„Er hat sich verlobt“, schloss Rupert finster.
„Ah. Die Frau war nicht standesgemäß, nehme ich an.“
„Nein, er hatte sich verlobt“, wiederholte Rupert langsam und deutlich. „Er wollte heiraten.“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete ihn nachdenklich. „Verstehe“, meinte sie dann. „Die Ehe an sich ist das Schlimme.“
„Natürlich sehen Sie das anders“, sagte er. „Wahrscheinlich war er ein Heiliger.“
„Ihr Bruder?“, fragte sie verwirrt.
Rupert deutete auf ihre Trauerrobe. „Von Kopf bis Fuß in Schwarz. Er muss wirklich bemerkenswert gewesen sein, der ... ähm ...Verschiedene.“
„Oh, Sie meinten Virgil.“ Ihre Stimme klang frostig. „Er war ein Gelehrter. Ein anerkannter Theologe. “
Eilig stand sie auf und räumte die eben so ordentlich sortierten Bücher wahllos in den Schrank.
„Schade, dass er diese Reise nicht mehr mit Ihnen machen kann“, sagte Rupert. „Ägypten scheint ja gerade sehr beliebt bei Gelehrten.“
„Nicht so bei Virgil“, erwiderte sie noch eine Spur kälter.
So viel also zu Virgil Pembroke. Der schwarze Trauerflor war reine Tarnung - genau wie Rupert vermutet hatte.
„Er wäre mit mir ins Heilige Land gereist“, sagte sie.
„Das wäre gewiss auch sehr ...“
„Ich weiß, dass ich hocherfreut sein müsste, die Pilgerfahrt zu machen, aber es interessiert mich absolut nicht“, unterbrach sie ihn. „Wenn ich die Hitze und das Ungemach ertrage, wenn ich es auf mich nehme, bei jeder Mahlzeit Wüstensand zwischen den
Zähnen zu haben und meine Stiefel auf Schlangen und Skorpione zu untersuchen, bevor ich sie anziehe, dann muss mich etwas schon sehr interessieren.“ Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu und knallte die Schranktür zu.
„Nun, Sie scheinen sich sehr für Altertümer zu interessieren“, meinte Rupert.
„So ist es“, erwiderte sie gereizt. „Ägyptische Altertümer. Genau deshalb bin ich hier und nicht im Heiligen Land.“
„Laut Reis Rashad sind wir gerade in der Nähe von Memphis“, sagte er. „Wir könnten Esel mieten und zu Ihren Altertümern hinausreiten - die Ruine eines Tempels und ein steinerner Pharao, soweit ich weiß. Nicht weit davon auch Pyramiden. Vielleicht finden Sie dort ja ein paar Steine mit der unlesbaren Schrift darauf.“
Daphne wusste nicht genau, was sie in Memphis zu finden hoffte. Die jüngsten Ereignisse ließen sie in Gedanken anderswo sein. Aber wahrscheinlich erwartete sie ein Wüstenplateau mit Tempeln und Grabbauten, ähnlich wie in Gizeh.
Doch selbst als sie nun zu ihrer Landpartie aufbrachen, dachte sie nur wenig an das Ziel ihrer Erkundungen.
Als sie mit Mr. Carsington über einen alten Fahrdamm ritt, war sie sich ihrer Umgebung kaum bewusst. Und das hatte mehrere Gründe - dass er sich zusehends auszog, war einer davon.
Heute Morgen, in orientalischer Aufmachung, war er noch vorzeigbar gewesen. Seinen sich straff um Brust und Schultern schmiegenden Rock hatte er durch eine weite Tunika ersetzt, statt seiner engen Hose trug er weite Beinkleider, die er sich in die Stiefel gesteckt hatte. Doch nun, da es immer wärmer wurde, je weiter sie den Fluss hinter sich ließen, entledigte er sich zunächst der schönen grünen Tunika, dann seines Krawattentuches, und schließlich knöpfte er auch noch seine hellgelbe Seidenweste auf und entblößte so in aller Öffentlichkeit sein Hemd - seine Leibwäsche!
Natürlich konnte sie kaum mehr den Blick von ihm
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