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Eine hinreißend widerspenstige Lady

Titel: Eine hinreißend widerspenstige Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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einziger Blick auf die stattliche Sammlung, die in ihrer Kabine aufgereiht stand, ließ erkennen, dass sie mindestens ein Dutzend Sprachen beherrschte.
    Mehr als fraglich, dachte Rupert, ob man von Miles Archdale wohl dasselbe sagen konnte.
    Sonntag, später Abend
    Was sich von Miles Archdale sagen ließ, war dies: Auf einem abgetakelten Boot saß er in einer verdreckten Kabine auf einer dünnen und von zahlreichem Ungeziefer besiedelten Matratze und inspizierte die schwere Kette um seine Knöchel. Er überlegte, wie viele Schläge es brauchte und wie schwer der Gegenstand sein musste, der das rostige Metall zerschmettern könnte, und fragte sich, wie er dies bewerkstelligen solle, ohne sich zugleich die Knochen zu zertrümmern.
    Das Boot schien über Nacht vor Anker zu gehen, was eine Invasion von Ratten und Moskitos versprach. Schade, dass die Ratten sich nicht darauf abrichten ließen, an der Kette zu nagen. Oder an seinen Gastgebern.
    Wenngleich einer von ihnen bereits recht angenagt aussah.
    Butrus, anscheinend der Anführer, war ein Schrank von einem Mann, und ein brutaler noch dazu. Sein geschundenes und vernarbtes Gesicht erinnerte Miles an das vom Zahn der Zeit lädierte Haupt der Sphinx - besonders die Nase, die bei Butrus zwar nicht fehlte, aber platt geschlagen war. An seiner rechten Hand saß an Stelle des kleinen Fingers nur ein kurzer Stumpen. Eigentlich war keiner von dem halben Dutzend Banditen, die das Boot bevölkerten, nett anzusehen, aber Butrus war bei Weitem der unansehnlichste.
    Nach Einbruch der Dunkelheit und mit bewaffnetem Geleit durfte Miles an Deck und sich sozusagen die Beine vertreten, kettenrasselnd. In der ersten Nacht hatte er versucht, um Hilfe zu rufen. Butrus hatte ihm mit dem Kolben seiner Pistole so heftig eins übergezogen, dass Miles bewusstlos zu Boden gesunken war.
    Nachdem er auf seiner schmuddeligen Matratze wieder zu sich gekommen war, empfahl Butrus ihm, solche Spielchen künftig zu unterlassen.
    „Wir sollen dich nicht umbringen“, ließ er ihn wissen. „Wir dürfen dir die Zunge nicht rausschneiden, weil die wichtig ist. Auch deine Hände dürfen wir nicht abhacken. Aber ein Ohr? Ein paar Zehen? Einen Fuß?“ Er grinste und zeigte seine wenigen Zähne, allesamt krumm, schief und schwarz. „Am Leben müssen wir dich halten, aber auf ein paar Körperteile mehr oder weniger kommt es dabei nicht an.“
    Miles hatte angenommen, dass sie Lösegeld für ihn wollten. Doch am dritten Tag, als das Boot stetig weiter flussaufwärts fuhr, begann er sich zu wundem. Je weiter sie sich von Kairo entfernten, desto komplizierter würde es werden, Geld und Gefangenen gegeneinander auszutauschen.
    Nun waren sie bereits sieben Tage auf dem Fluss unterwegs. Wo zum Teufel brachte man ihn hin - und warum?
    Die Sonne war untergegangen, und mit Einbruch der Nacht war auch der letzte Lichtschimmer aus der Kabine verschwunden. Miles saß in der Finsternis, und seine Gedanken schweiften von der Fußfessel zu seiner Schwester. Mittlerweile dürfte sie wissen, dass er in Schwierigkeiten war, und hatte, so wollte er hoffen, Noxley bereits um Hilfe gebeten.
    Die Tür ging auf, und das Licht einer Laterne schien herein, nicht sonderlich hell, aber sogleich war die enge Kammer voller Schatten.
    Butrus leuchtete mit der Laterne. Ihm folgte einer seiner Komplizen mit dem Tablett. Wie meist, so blieb Butrus auch heute, während Miles zu Abend aß, als wollte er aufpassen, dass der Gefangene nicht heimlich das Besteck an sich nahm - einen Holzlöffel. Zweifellos fürchtete man, dass er diesen als Waffe verwenden könne oder ihm damit die Flucht gelänge - beispielsweise indem er damit so lange wild in der Luft herumrührte, bis seine Entführer sich totgelacht hatten.
    „Wo sind wir?“, fragte Miles.
    Die Frage stellte er jeden Abend. Und jedes Mal lachte Butrus nur.
    So auch heute.
    Aber heute war Miles es leid. Das Arabische kam ihm zwar nicht so leicht über die Lippen wie seiner Schwester, doch er beherrschte es leidlich gut. Um sich mit ungebildeten Lümmeln zu verständigen, reichte es allemal.
    „Soll ich raten?“, schlug er vor.
    Butrus zuckte die Achseln. „Wozu, Ingleezi ?“
    „Wir sind seit Montag in recht zügigem Tempo flussaufwärts gefahren“, sagte Miles. „Daraus schließe ich, dass die Winde günstig waren und wir reichlich Vorrat an Bord haben.“ Er überlegte kurz. „Minya“, meinte er dann. „Ich schätze, wir sind nicht mehr weit von Minya entfernt.“ Wenn er sich

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