Eine hinreißend widerspenstige Lady
..." „Miles ..."
„Das bezweifle ich“, unterbrach er sie. „Sie haben aufgezählt, was sich alles im Gepäck Ihres Bruders befindet - Bücher haben Sie nicht erwähnt. Ist es nicht seltsam, dass ein Sprachgelehrter ohne seine Bücher auf Reisen gehen sollte?“
„Nun ...“
„Sie hingegen reisen mit einem beachtlichen Sortiment - Griechisch, Latein, Persisch, Arabisch, Türkisch, Koptisch, Sanskrit plus das Übliche: Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch. Sollte mir etwas entgangen sein?“
„Nein“, erwiderte sie brüsk. „Aber mir scheint einiges entgangen zu sein. Ich dachte, Sie seien ein großer Dummkopf.“
„Das bin ich auch“, versicherte er ihr. „Ich wirke nur so schlau, weil ich eine von Hieroglyphen Besessene in der Familie habe. Meine Cousine Tryphena ist allerdings ganz anders als Sie, und das nicht nur, weil sie älter ist. Meist verstehe ich kein Wort von dem, was sie erzählt. Ihnen hingegen kann ich mehr oder minder folgen. Außerdem ist sie keineswegs interessant - Sie schon. Sie sind so voller Leidenschaft. “
Das Wort ließ Daphne zusammenzucken, all seine Bedeutungen, von denen so viele Gefahren bargen. „Sie wissen nicht, wie ich normalerweise bin“, beschied sie. „Ich bin furchtbar langweilig.“
„Ich finde Sie faszinierend“, erwiderte er. „Gewiss rührt es von der geheimnisvollen Aura her, die Ihr Doppelleben Ihnen verleiht.“
„Was bleibt mir denn anderes übrig?“, fuhr Daphne auf. „Ich bin nicht geheimnisvoll! Ich bin äußerst langweilig und vollauf zufrieden, wenn ich Stunden darauf verwenden kann, Grammatik und Vokabeln zu lernen oder einfach nur eine Kartusche zu betrachten. Aber es ist nicht gut, für sich allein zu arbeiten - wer es dennoch tut, läuft Gefahr, anderer Leute Fehler zu wiederholen oder seine Zeit auf bereits widerlegte Theorien zu verschwenden.“ So wie Virgil, der Jahrzehnte verschwendet hatte. „Die Tatsache, dass ich eine Frau bin, und meine Lebensumstände schließen mich jedoch vom Kreis anderer Gelehrter aus“, fuhr sie fort. „Mir blieb die Wahl, meine Studien aufzugeben oder aber die Welt zu täuschen - und aufgeben konnte ich nicht.“
„Es ist ungeheuer schwer, seinen Leidenschaften zu entsagen“, bemerkte er.
„Man hätte meinen können, ich würde Männer verführen wollen, statt lediglich einem alten Pergament einige Präpositionen zu entlocken“, sagte sie bitter. „Eine Hure hätte nicht mit mehr Missbilligung, Zorn und Abscheu bedacht werden können.“ Sie lachte, doch es klang wütend. Sie musste noch immer kämpfen, und es schmerzte noch immer. Und sie war es so leid, zu kämpfen und aller Welt etwas vorzuspielen.
„Vielleicht haben Sie sich mit den falschen Menschen umgeben“, meinte er.
„Mit wem hätte ich mich denn umgeben sollen?“, wollte sie gereizt wissen. „Mit Leuten, die sich über gebildete Frauen lustig machen?“
„Es gibt auch noch Leute wie mich“, erwiderte er.
Er rührte sich nicht, doch das änderte nichts daran, dass sie ihn zu nah an sich herangelassen hatte. Sie hatte sich von ihren Gefühlen mitreißen lassen und Geheimnisse ausgeplaudert.
Eilig wich sie zurück und stieß mit dem Rücken an Ramses’ steinernen Arm.
Ein feines Lächeln, ähnlich dem des Pharaos, spielte kaum merklich um Mr. Carsingtons Lippen, als er nun einen Schritt auf sie zutrat.
„Mir könnten Sie durchaus eine Proposition entlocken“, meinte er. „Wenn Sie es darauf anlegten.“
„Präposition“, korrigierte sie. „Ich sagte Prä...“
Da umfasste er ihren Nacken, fuhr mit den Fingern in ihr Haar, und sie erstarrte - äußerlich. In ihrem Innern setzte ein heftiger Aufruhr ein, und wo ihr Verstand sonst saß, war nur noch ein wilder Strudel dunkel zersplitternder Bruchstücke, die sich ebenso wenig fassen und begreifen ließen wie die lang vergessene Sprache, die sie zu entziffern suchte.
Leicht neigte er ihren Kopf und betrachtete sie. „So viel zur strategischen Belagerung“, murmelte er und beugte sich über sie. Weil sie nicht schnell genug gewesen war, ihm auszuweichen, war unversehens sein Mund auf dem ihren, und die Welt tat sich unter ihr auf.
Sie hob die Hand - um ihn abzuwehren, wie es sich gehörte. Wie sie es tun sollte. Aber wie er den Mund so kühn auf dem ihren bewegte, klammerte sie sich Stattdessen an ihn, schloss ihre Finger fest um seinen Oberarm, der so hart war wie jener der Statue hinter ihr, die ihr den Fluchtweg abschnitt, und doch so warm und
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