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Eine hinreißend widerspenstige Lady

Titel: Eine hinreißend widerspenstige Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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stehen und betrachtete es mit seltsamer Miene. Sie beobachtete ihn schweigend und war recht überrascht zu sehen, wie seine Züge auf einmal ganz hart wurden, bis sie ihn kaum mehr erkannte. Die kalte Maske ließ sie an seine Stimme denken, als er die Toten in der Pyramide entdeckt hatte. Wie ein Fremder hatte er da geklungen, kalt und abweisend.
    Genau diesen Fremden sah sie auch jetzt. Normalerweise, wenn er nicht gerade ohnehin lächelte, hatte sie sein Lächeln doch immer zu spüren gemeint. In seinen dunklen Augen war meist ein belustigtes Funkeln zu entdecken - so, als amüsiere er sich gerade über einen besonders köstlichen Witz. Wahrscheinlich war das der Grund dafür, weshalb man sich so leicht in ihm täuschte und ihn als einen liebenswerten Dummkopf abtat.
    Diese Heiterkeit war nun völlig verschwunden. Er richtete sich auf und lief weiter, ohne ein Wort zu verlieren, mit weit ausholenden, wütenden Schritten.
    Verwundert ging Daphne in die Hocke und besah sich den Gesteinsschutt genauer. Bruch von Marmor und Alabaster. Tonscherben. Blau und grün glänzende Splitter. Fetzen schmutzigen braunen Leinens. Seltsam Dunkles, undefinierbar. Und weiße ... Knochen.
    Sie stand wieder auf und sah sich um.
    Eine geplünderte Grabstätte. Die dunkle Substanz waren die Überreste einer Mumie.
    „Oh, du armes Ding“, flüsterte sie und schluckte schwer.
    Sie rieb sich die Augen und ermahnte sich streng, nicht so sentimental zu sein. Verdankte sie nicht auch ihre Papyri-Sammlung der Plünderung alter ägyptischer Gräber?
    „Wie dumm von dir - und wie scheinheilig -, nun zu weinen“, schimpfte sie mit sich. Doch wie es schien, neigte sie heute sehr dazu, sich dumm zu benehmen. Sie rieb sich noch mal die tränenden Augen, holte tief Luft und machte sich dann wieder auf den Weg zur Pyramide.
    Sie fand Mr. Carsington vor einem unheilvoll dunklen Zugang in der Nordwand. Seine kalte, harte Miene war verschwunden, und seine Augen funkelten wieder. Neben ihm stand ein arabisch gekleideter Europäer, den Mr. Carsington als Signore Segato vorstellte, der die Pyramide im Auftrag von Baron Minutoli erschließe.
    „Er hat mir gerade erzählt, dass es im Innern herrlich verwirrend ist“, sagte Mr. Carsington. „Dagegen ist die Chephren-Pyramide ein Spaziergang. Hier entlang.“
    Daphne wagte sich an den düsteren Eingang heran, der viel größer und geräumiger wirkte als der Zugang zur Chephren-Pyramide.
    „Der Gang ist bloß fünf Meter lang“, meinte Mr. Carsington ermutigend.
    „Dann kann man aber unmöglich schon in der Grabkammer sein“, wandte sie ein.
    „Stimmt, das ist nur der Anfang“, sagte er. „Die Grabkammer liegt in etwa dreißig Meter Tiefe.“
    „Dreißig Meter“, wiederholte sie, derweil ihr Herz ängstlich nein, nein! nein, nein! nein, nein! pochte.
    „Es geht ganz langsam hinab“, meinte er. „Meilenlange Gänge und Stufen. Ein paar Schächte. An einer Stelle droht die Decke einzustürzen. Sind Sie dabei, Mrs. Pembroke?“
    Sie wollte dort nicht hinein. Instinktiv schreckte sie zurück, und ihr gesunder Menschenverstand riet ihr ebenfalls ab.
    „Auf einem der Türrahmen befinden sich Hieroglyphen“, sagte er.
    „In der Pyramide?“, fragte sie. Noch nie hatte sie gehört, dass in einer Pyramide Hieroglyphen entdeckt worden wären, doch war dies auch eine der jüngeren Ausgrabungsstätten. Sie wandte sich an Signore Segato und bestürmte ihn mit einer Vielzahl von Fragen auf Italienisch.
    Ja, ja, er stimme voll und ganz mit der signora überein, das sei wirklich sehr, sehr außergewöhnlich. Er war selbst ganz überrascht, als er sie gesehen hatte: Vögel, Schlangen, Insekten, all die kleinen Bildchen. Auch die Grabkammer selbst sei sehr schön ausgestattet.
    Daphne schluckte. „Nun denn“, meinte sie zu Mr. Carsington. „Die Inschrift würde ich mir schon ganz gerne ansehen.“
    Der Weg hinab war höllisch lang und ungemütlich. In der Gluthitze so tief unter der Erde hätte man Ziegelsteine brennen können. Aber nachdem genügend Fackeln angezündet worden waren und deren qualmender Rauch sie nicht mehr zum Husten reizte, konnte Daphne dem verwirrenden Labyrinth aus Gängen und Kammern, das weitaus komplexer war als jenes der Chephren-Pyramide, sogar etwas abgewinnen. Allerdings fanden sich auch hier keine Schätze mehr - was sie indes wenig überraschte, galt das Plündern von Grabschätzen schließlich seit den Zeiten Cheops’ als einträgliches Gewerbe.
    Tief im Innern der Pyramide

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