Eine Idee macht noch keinen Roman
verändert hatte, waren neue Berechnungen notwendig gewesen, die das Projekt um weitere drei Jahre verzögert hatten. Jetzt, fast neunzig Jahre nach Beginn des Projektes, war seit knapp drei Jahren eine ständige Station auf dem Mars eingerichtet, die den Terraformvorgang überwachte. Im Gegensatz zu Mars und Venus – auch hier gestaltete sich die Besiedlung ähnlich kompliziert – hatte sich der dritte Planet von Proxima Zentauri geradezu als Paradies entpuppt. Die einzige Hürde, die es zu überwinden galt, war die Reisezeit, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde. Vorausgesetzt, während der Reise käme es nicht zu unvorhergesehenen Zwischenfällen.
Alle anderen jemals der EPU angehörigen Personen hatten entweder einen gesicherten Job, hatten sich bereits zur Ruhe gesetzt oder befanden sich in Führungspositionen von Unternehmen oder Regierungen. David persönlich wollte so schnell wie möglich seine Professur hinter sich bringen, um dann seinerseits an der EPU zu unterrichten. Jedes Unternehmen auf der Erde würde ihn mit Handkuss als Ausbilder annehmen, aber David zog es vor, mit jüngeren Menschen zu arbeiten, selbst wenn das weniger Geld bedeutete. Der ausschlaggebende Faktor für seine Entscheidung war – genauso wie für diese Fahrt – jedoch seine Faszination für den Weltraum gewesen.
Viele seiner Kommilitonen empfanden Sehnsucht nach der Farben- und Sinnesvielfalt der Erde, nachdem sie fast vier Jahre im Weltraum zugebracht hatten. Soweit ihm bekannt war, war David einer von zwei Menschen auf dem gesamten Schiff, der seine 'Fenster', die in Wirklichkeit Projektionsschirme waren und sich auf alle möglichen Bilder einstellen ließen, auf Außenansicht eingestellt hatte. Das All, die Sonne, die Sterne, untermalt vom immerwährenden Schimmern der Milchstraße, dieser Gesamteindruck, der sich dabei einstellte, hatte eine ungemein beruhigende Wirkung auf ihn, was seinem stellenweise etwas zu emotional reagierenden Wesen zugute kam.
Darüber hinaus half es ihm beim Lernen. Es erinnerte ihn stets daran, was er erreichen wollte, wo und wie er sein zukünftiges Leben verbringen wollte, wenn er mal wieder eine leichte Krise ob seiner täglichen Studien oder das Examen betreffend hatte.
Die momentan größte Störung seines Studienzeitplanes lag allerdings gerade neben ihm und verpasste ihm im Schlaf ungewollt einen Kinnhaken, der ihn wieder in die Realität zurückholte.
Das einzige wirkliche Problem, das sich beständig seit der Errichtung der EPU hielt, war das der sexuellen Freizügigkeit. Bei dreihundert Studenten pro Jahrgang und einem Verhältnis von nahezu eins zu eins, was Männer und Frauen betraf, gab es nicht viel, was man anhand der fehlenden Zerstreuungsmöglichkeiten tun konnte, als sexuell mindestens einigermaßen aktiv zu werden, sofern man sich nicht der Askese verschrieben hatte. Die diesem Umstand zuzuschreibende und – im Verhältnis zur Population – ungewöhnlich hohe Zahl der ungewollten Schwangerschaften war ein Sachbestand, der sich seit dem ersten Jahr etabliert hatte und der regelmäßig von konservativen oder religiösen Gruppierungen verwendet wurde, um entweder die Schließung des Institutes oder die Umwandlung desselben in eine nicht-koedukative Einrichtung zu fordern. Einzig und allein die Streitfrage, welches Geschlecht nun unterrichtet werden sollte, oder welche Religion die Schirmherrschaft übernehmen würde, hatte bisher die Bildung einer durchsetzungsfähigen Mehrheit verhindert. Doch diese Gefahr nahm ab, je länger sich die EPU als erstklassige Bildungseinrichtung bewies.
Die neben David liegende Störung trug den Namen Sonja und war Davids dritte Freundin während seiner Studienzeit, womit er weit unter dem Durchschnitt lag, seine männlichen Kollegen betreffend. Der lag bei annähernd acht. David hatte das nie so ganz verstanden. Zu Ende gegangene Beziehungen, beziehungsweise die vorausgehenden Trennungen nahmen ihn meist viel zu sehr mit, als dass er besonders schnell zu etwas Neuem in der Lage gewesen wäre. Noch immer verschlafen, trotz der annähernd nachmittäglichen Zeit, stützte er seinen Kopf auf seine Hand und betrachtete den Menschen, der da neben ihm lag.
Fast eins achtzig groß, somit fast so groß wie er selbst, mit völlig zerzausten – woran er nicht ganz unschuldig war – dunkelroten Haaren, und einem im Moment sehr entspannten und friedlichen Gesicht war sie ein Mensch, der eigentlich überhaupt nicht zu ihm passte, wenn er es genau
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