Eine Idee macht noch keinen Roman
betrachtete. Sie war hübsch, was sie auch wusste, und das zeigte sie auch. Normalerweise hätte er so ein Verhalten als affektiert, eingebildet und selten dämlich bezeichnet, nur bei ihr störte ihn das nicht. Sie war unglaublich gut gebaut, was ihr fortwährend bewundernde Blicke von anderen Männern einbrachte. Karriere war etwas, das ihr wirklich wichtig war und wofür sie auch bereit war, andere Dinge hintenanzustellen.
Alle diese Eigenschaften hatten ihn immer zurückgehalten, sie anzusprechen, drei volle Jahre lang. Dann war der Zeitpunkt gekommen, an dem sie beide einer Arbeitsgruppe zugeteilt worden waren und sich in seinem Quartier zum Vorbereiten getroffen hatten. Nach der Sitzung, als alle anderen schon gegangen waren, hatten sie zwei volle Stunden damit verbracht, die Aussicht aus seinem Fenster zu betrachten, nein, zu bewundern, und das, ohne ein einziges Wort zu sagen.
Danach war es eine Sache von einer Woche gewesen, dass sie mehr oder weniger bei ihm eingezogen war. Dieser Umstand hatte zu nicht wenigen Komplikationen an Bord geführt. Neben den technischen Bedingungen, die auf Dauer immer nur eine Person pro Quartier erlaubten, war es zu einigen überraschenden Auseinandersetzungen mit einigen – meist männlichen Kommilitonen gekommen, die sich ebenfalls in Sonja verguckt hatten und die jetzt übermäßig enttäuscht waren. Ihre Anwesenheit beeinträchtigte seine Studien erheblich, nur machte das nichts aus. Die Zeit auf der Columbus wie auch das gesamte Studium war so gut wie vorbei, die Prüfungen würden in zwei Monaten stattfinden und den dafür erforderlichen Stoff konnte er sogar in seiner momentanen Verfassung herunterbeten, der einen mittelschweren Kater und schätzungsweise immerhin noch knapp ein Promille beinhaltete.
In der vergangenen Nacht waren sie, nachdem ihre Gruppe auf fünf zusammengeschrumpft war, in sein Quartier gegangen, um dort einen Teil der mitgebrachten Alkoholika zu verzehren. Gegen fünf Uhr morgens, als Rebecca, eine Freundin von Sonja, angefangen hatte, falsch und laut zu singen, waren er und Michael gezwungen gewesen, ihr den Mund zuzuhalten und sie gemeinsam in ihr Quartier zu tragen. Als beim Rückweg der Gang bedrohlich angefangen hatte zu schwanken, war auch David zu dem Entschluss gekommen, es sei besser, jetzt zu Bett zu gehen und hatte Michael, der seinerseits auf einem von Rebeccas Stühlen eingeschlafen war, seinem Schicksal überlassen.
Nachdem er sich satt gesehen hatte, stand David auf, um das Frühstück herzurichten. Als er die Konsole diesbezüglich eingestellt hatte, setzte er sich in seinen Sessel, um die Aussicht die viereinhalb Minuten zu genießen, die es brauchen würde, die Brötchen, den Kaffee und alle anderen Zutaten herzustellen und zuzubereiten.
Der Sessel war eine Spezialanfertigung eines Freundes, der Industriedesign studierte. Eigentlich hatte er seinen festen Platz auf der EPU, jedoch hatte David es hinbekommen, ihn nach und nach in Einzelteilen an Bord zu schmuggeln. Diverse gefälschte Lieferscheine und Firmenausweise hatten in diesem Zusammenhang eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Mit absoluter Sicherheit stellte er einen Verstoß gegen diverse Bestimmungen an Bord dar, nach denen jedes Möbelstück auf eine bestimmte Art und Weise herzustellen war und nur aufgrund medizinischer Befunde verändert werden durfte. Dieser Sessel entsprach keiner dieser Vorschriften. Er war riesig, es ließ sich nachgewiesenermaßen zu zweit darin schlafen, er war schwer – es hatte einer Metallrohrrahmenverstärkung mit anschließender zusätzlicher Verankerung im Boden bedurft, damit das Möbelstück nicht fortwährend umfiel oder in einzelne Stücke zerbrach – wesentlich schwerer, als es die offiziellen Belastungsgrenzen der tragenden Elemente des Schiffes erlaubten, in diesem Fall der Boden, und er war ungeheuer gemütlich. Der Hauptgrund dieser Gemütlichkeit entsprang der unglaublich geschmacklosen Auswahl, was Material und Farbe betraf.
David hatte, als er eines der familieneigenen Fotoalben durchstöbert hatte, eine Aufnahme gesehen, auf der eine seiner Vorfahren zu sehen gewesen war. Das Sofa, auf dem die Frau während dieser Aufnahme saß, hatte es ihm angetan.
Eigentlich, so war es ihm damals durch den Kopf gegangen, hätte so eine Farbzusammenstellung aus reinen Menschenrechtsgründen gar nicht existieren dürfen, aber in den siebziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts war so ziemlich alles möglich gewesen, wie er später
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