Eine Japanerin in Florenz
einer jungen Bedienung, die Sekt und Gläser brachte. Die übrigen Gäste fielen in das Geburtstagsständchen mit ein. Lapo setzte sich ein wenig zu ihnen.
Die hübsche, junge Bedienung war eine Leihgabe von dem Lokal gegenüber. Offenbar bewies der junge Besitzer nun doch ein gewisses Händchen für das Viertel.
»Es ist nur für einen Monat. Im Juli ist halt Hochbetrieb. Auf jeden Fall können wir unsere Sonia nicht länger zu Hause festhalten, damit sie sich um Großmutter kümmert. Sie ist ein Goldschatz, aber es ist nicht richtig, daß sie sich dafür aufopfert. Wenn meine Frau daheim bliebe und die Pflege übernähme, müßte ich einen Koch einstellen. Das können wir uns nicht leisten. Natürlich, meine Schwiegermutter könnte morgen einen dritten Schlaganfall bekommen, aber es kann mit ihr auch noch jahrelang so weitergehen, als Pflegefall, bettlägerig nach dem zweiten Anfall. Das kann man nicht wissen. Was also soll ich tun?«
»Was werden Sie tun?«
»Nachdem ich verkauft habe? Wir haben ein wenig sparen können. Meine Frau würde gerne ein kleines Spiel- und Schreibwarengeschäft übernehmen, gleich hier um die Ecke. Das macht viel weniger Arbeit, und sie würde ein wenig unter die Leute kommen. Ich werde mich wahrscheinlich ganz auf die Politik konzentrieren. Wahrscheinlich werde ich beim nächsten Mal, wenn wir uns treffen, um Ihre Wählerstimme werben.«
»Das würde mich nicht wundern. Ihre Stammkunden werden Sie vermissen. Wo werden die jetzt essen?«
»Sie werden weiter hierherkommen. Das war Teil unserer Abmachung. Meine Stammkunden bekommen das Mittagessen zu einem Sonderpreis. Er ist doch gar kein so schlechter Kerl, muß ich sagen, auch wenn er aus Mailand ist.«
Sie verließen die Trattoria, um in Santa Croce rechtzeitig ihre Plätze einnehmen und sehen zu können, wie die ersten Pferde in der Prozession auf dem mit Flutlicht beleuchteten Platz eintrafen. Die Menge blieb recht ruhig und friedlich, als die Richter, Hellebarden und Zunftgenossen einzogen, aber es lag reichlich Spannung in der Luft, als die beiden Mannschaften erschienen, die ausgeschieden waren, und als schließlich die beiden Finalisten einliefen, erhob sich eine Welle der Feindseligkeit. Für den Augenblick beschränkten sich die Zuschauer darauf, ihren Gefühlen in einem Regen aus Nelken Ausdruck zu geben, die wie Pfeile kreuz und quer auf das weißblau eingefärbte Sandfeld flogen. Der Maresciallo hoffte auf das Beste, aber bei dieser Veranstaltung mußte man jederzeit mit Handgreiflichkeiten rechnen, und wahrscheinlich würde er es bald schon bereuen, daß er seine Familie mit hierher genommen hatte.
Als die Kanone abgefeuert war und der erste Aufeinanderprall in einem Handgemenge endete, zog Giovanni ihn am Ärmel. Der Maresciallo wandte sich um, krauste die Stirn in dem Bemühen, seinen Sohn trotz der lärmend tobenden Menge zu verstehen. Giovannis Augen sprühten vor Begei sterung über die Pasta, das Beefsteak, den Sekt, den Fußball und das Feuerwerk später am Abend.
»Babbo, das ist einfach toll!«
Direkt neben Giovanni saß Totò, wohlgenährt und glücklich hüpfte er auf und nieder, wedelte mit der weißen Fahne für Santo Spirito und feuerte die Mannschaft lautstark an. Zu seiner Linken saß Teresa, die ihm hin und wieder den Arm drückte, ob vor Freude oder Sorge, das konnte er nicht genau feststellen. Doch der Alptraum verzog sich langsam. Der Maresciallo konzentrierte sich auf das Spiel. Man konnte schließlich nie wissen. Nachher gewannen die Weißen in diesem Jahr doch noch.
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