Eine Jungfrau Zu Viel
nichts mehr anrichten konnte, und lasse ein vernünftiges Mädchen aus meinem Haushalt auf ihn aufpassen.«
»Die liebliche Meldina?«, fragte ich anzüglich.
»Sie denken schon wieder in die falsche Richtung, Falco. Meldina ist glücklich verheiratet und hat drei Kinder. Damit sie bei Scaurus bleibt, muss ich zusätzlich ihren Mann und ihre Familie versorgen.«
»Ah ja! Entschuldigen Sie, aber spielt Numentinus bei der ganzen Sache eigentlich keine Rolle? Sie scheinen jegliche Verantwortung übernommen zu haben. Nimmt der rigide Exflamen es wirklich hin, dass Sie das alles erledigen?«
»Er schaut halbherzig zu und mault. Seine Kinder sind für ihn eine große Enttäuschung. Aber statt die Dinge in Ordnung zu bringen, widmet er sich ganz der Verehrung der Götter. Als Flamen Dialis hatte er eine Ausrede – seine gesamte Zeit galt den Pflichten gegenüber Jupiter. Meine Schwester war auch nicht besser. Bei ernsthaften Krisen kauten sie beide Lorbeerblätter und versetzten sich in Trance, bis jemand anders die Sache für sie geregelt hatte. Der Göttin sei Dank, dass ich als Vestalin über Autorität verfügte.«
Alles, was Terentia Paulla sagte, konnte der Wahrheit entsprechen – oder die manische Verzerrung der Wahrheit sein. War sie wirklich die hingebungsvolle Retterin dieser hoffnungslosen Leute, oder war ihre ständige fanatische Einmischung zwanghaft? Eine unerträgliche Belastung, von der sie sich nicht befreien konnten?
Ich musste immer wieder daran denken, dass der Arvalmeister angedeutet hatte, diese Frau sei vollkommen verrückt und habe ihren Mann wie ein Blutopfer aufgeschlitzt. Je mehr sie in diesem wütenden, aber beherrschten Ton redete, desto eher konnte man sich vorstellen, dass sie ohne weiteres ihren Mann umbringen würde, wenn sie es für notwendig hielt – und umso schwerer wurde es, sich vorzustellen, dass sie den Toten bühnenreif hindrapiert hatte, während sie sich in einer verrückten Trance befand.
Sie hätte es doch bestimmt rasch, sauber und ordentlich erledigt, oder? Mein Instinkt sagte mir, dass sie das Verbrechen unnachweisbar vertuscht hätte – oder zumindest dafür gesorgt hätte, dass man dem Täter nicht auf die Spur kam. Wenn je ein Mörder die Intelligenz und die Nerven hatte, ungeschoren davonzukommen, dann war das Terentia Paulla. Selbst wenn sie die Tat begangen und sich in ihrer hochnäsigen Art zum Geständnis entschlossen hatte, nahm ich an, dass sie neben der Leiche gewartet und dann kurz und bündig ausgesagt hätte. Die vom Arvalmeister beschriebene Szene, in der eine irre, blutüberströmte Frau aufgegriffen und zum Geständnis überredet worden sei, passte überhaupt nicht. Genauso wenig wie seine Beschreibung des Mitleid erregenden Wesens, das in Verwahrung genommen werden musste, auf diese kühle Frau neben mir passte.
»Und was ist mit Gaia?«, fragte ich vorsichtig.
»Gaia ist der eine leuchtende Stern in dieser Familie. Gaia hat, woher auch immer – höchstwahrscheinlich von meiner Familie und vielleicht auch von Seiten ihrer Mutter –, Intelligenz und Charakterstärke mitbekommen.«
»Trotzdem sind Sie vehement dagegen, dass Gaia als Vestalin in Ihre Fußstapfen tritt?«
»Vielleicht«, sagte Terentia jetzt mit sehr leiser Stimme, »ist es an der Zeit, dass ein Mitglied dieser Familie endlich mal ein normales Leben führt.«
Eine Erwiderung, fand ich, wäre zudringlich gewesen.
»Ich möchte, dass sich hier etwas verändert, Falco. Gaia wird jede Rolle in ihrem Leben pflichtbewusst erfüllen.« Sie hielt kurz inne. »Dann muss ich als Vestalin auch an meinen Orden denken. Ich kann ihrer Wahl nicht wissentlich zustimmen. Das Skandalpotenzial ist zu groß. Sie ist die falsche Wahl für die Vesta – und es wäre eine zu große Bürde für Gaia selbst, falls der grausige Mord in ihrer engsten Familie jemals an die Öffentlichkeit kommt.«
»Die Lotterie findet in diesem Augenblick statt«, sagte ich. »Sie kann nicht mehr teilnehmen. Wenn jemand sie versteckt hat, damit sie nicht gewählt wird, kann man sie jetzt sicherlich freilassen.«
»Niemand hat sie versteckt. Und niemand hat ihr absichtlich ein Leid zugefügt«, versicherte Terentia.
»Ich würde gerne Gaia fragen, wie sie das empfindet.«
»Sobald die Gefahr bekannt war, stand ich bereit, um sie zu beschützen.« Vor wem zu beschützen? »Erst mal muss sie gefunden werden. Das ist, wenn ich Sie daran erinnern darf, Ihre primäre Aufgabe, Falco.«
Ich beschloss, etwas zu riskieren.
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