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Eine Katze im Wolfspelz

Eine Katze im Wolfspelz

Titel: Eine Katze im Wolfspelz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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Interstate 87: New York - Montreal, Montreal - New York, vierfarbig stand auf der Klappe.
    »Was heißt 87?« fragte ich.
    »Das ist die Nummer des Highways, der durch den Staat New York führt.« Er faltete die Karte auseinander und breitete sie auf dem Tisch aus.
    Mit dem Finger fuhr er die Interstate 87 in nördlicher Richtung entlang. »Das ist unser Weg, Alice, immer nach Norden. In ein paar Stunden sind wir in Albany. Das ist die halbe Strecke nach Kanada. Immer weiter nach Norden. Siehst du, da ist Lake George. Und wenn wir jetzt noch ein Stückchen weiterfahren, kommt Schroon Lake. Siehst du? Okay. Jetzt verlassen wir den Highway und fahren ungefähr zehn Meilen in östliche Richtung. Und wohin kommen wir da?
    Die Buchstaben waren klein und undeutlich, schwer zu lesen. Ich kniff die Augen zusammen. Endlich konnte ich die Worte entziffern: »DESOLATE SWAMP.«
    »Liebe Güte, Tony, es ist hier auf der Karte. Es ist wirklich ein richtiger Ort.«
    »Genau. Es liegt in den Adirondacks, Alice, das ist ganz schön weit oben.«
    Ich las die Worte noch einmal. In dieser Gegend schien es eine Menge Sümpfe, Bäche und kleine Flüsse zu geben. In der Nähe von Desolate Swamp lag ein Ort namens Glidden Swamp.
    Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und lächelte Tony an. Das war die erste richtige heiße Spur in diesem Fall. Oder besser gesagt, jetzt hatten wir wenigstens einen Ort, etwas Handfestes.
    »Du wirst wohl da hinauffahren müssen, Tony.«
    Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. »Alice, diese Karte ist ja wirklich eine prima Sache, aber Jill Bonaventura hat diesen Zettel vor neun Jahren geschrieben. Ihre Katze ist seit ewigen Zeiten tot. Warum soll ich also da hinauffahren?«
    »Keine Ahnung.«
    »Also, warum soll ich dann fahren?«
    »Weil ich meine, daß das in dieser Situation das einzig Vernünftige wäre.«
    »Vernünftig? Meinetwegen. Aber wonach soll ich denn suchen?«
    »Nach allem.«
    »Ich habe kein Auto mehr, Alice. Ich habe es meiner Frau gelassen.«
    »Dann mietest du eben eines.«
    Er zog eine Grimasse. Dann nahm er Messer und Gabel wieder auf und aß sein Sandwich zu Ende, wobei er mir von Zeit zu Zeit einen Blick zuwarf. Als er alles gegessen hatte, schob er den Teller zur Seite und sagte: »Okay, Alice, ich fahre da hin, aber du kannst mir glauben, langsam komme ich mir vor wie ein schiefes Bild an der Wand.«
    »Willkommen zu Hause, in der Welt des Theaters, Schätzchen.«

13
    Meine winzige Kammer bei Retro war voll geworden. Ich saß da und betrachtete einen dicken Stapel Fotos, für die ich irgendwie Platz gefunden hatte. Es waren Fotos von den Tatorten, so ziemlich alle, die der Computer nach langen Verhandlungen mit diesem Idioten Bert Turk ausgespuckt hatte. Zuerst hatte er mir überhaupt nicht helfen wollen. Ich konnte mir kaum noch vorstellen, daß er mir einen Heiratsantrag gemacht hatte, als wir uns zum ersten Mal getroffen hatten.
    Doch dann hatte er schließlich klein beigegeben. Ich hatte die Fotos angefordert, um nachzusehen, ob es noch weitere schiefe Bilder gab, ob die Bilder, die in den Wohnungen der anderen Opfer waren, genauso schief hingen wie die, die ich in den Apartments der Tyre-Brüder und von Jill Bonaventura gesehen hatte. Dieser Kinderreim, in dem alles krumm und schief war, war für mich kein Scherz oder eine zufällige Assoziation, sondern eine ernstzunehmende Spur. Der Psychopath, der siebzehn Menschen umgebracht hatte, konnte sehr gut den schiefen Mann mit der schiefen Katze im Kopf gehabt haben.
    Aber wieder einmal machte ich mich lächerlich. All die Fotos, die über die Jahre aufgenommen waren, zeigten immer nur die Opfer - nicht die Wände. Auf meinem Tisch war lediglich ein Haufen schauerlicher Fotos von den Leichen, so wie man sie vorgefunden hatte. Keine Wände. Keine Bilder. Ich sagte noch einmal leise den Kinderreim vor mich hin. Für mich war es logisch, diesen Gedanken zu verfolgen, aber es gab keine Möglichkeit mehr, meine Theorie zu beweisen.
    »Haben Sie gefunden, wonach Sie gesucht haben?« hörte ich eine Stimme hinter mir sagen. In der Enge der Kammer konnte ich mich nur halb umdrehen. Es war Judy Mizener.
    »Nein, leider nicht.«
    Sie quetschte sich in den Raum und lehnte sich gegen meinen überquellenden Tisch.
    »Wie laufen denn die Retro-Besprechungen? Jetzt, wo ich nicht mehr dabei sein darf, fehlen sie mir richtig.«
    Judy Mizener lächelte. »Die letzte war ziemlich ergiebig. Einer der Detectives hat ein Profil

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