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Eine Katze im Wolfspelz

Eine Katze im Wolfspelz

Titel: Eine Katze im Wolfspelz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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Futter zu richten. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich ihn zuletzt gefüttert hatte, denn ich kam immer zu unterschiedlichen Tageszeiten vorbei. Der arme Abaelard ... zurückgelassen in der Obhut einer unberechenbaren Catsitterin.
    Als ich in die Küche kam, sah ich den Zettel, der mit Klebestreifen an die Kühlschranktür geheftet war, sofort.
    Mein Herz sank mir in die Hose. Hatte Mrs. Salzman mir gekündigt? Hatte sie herausgefunden, daß ich Abaelard unregelmäßig besuchte?
    Nein! Es war keine Kündigung. Im Gegenteil, sie fragte, ob ich mich noch ein paar Tage um Abaelard kümmern könne. JA, schrieb ich mit Leuchtstift in großen Buchstaben an den unteren Rand des Zettels. Gott segne Sie, Mrs. Salzman, wo auch immer Sie sein mögen.
    Ich öffnete die Kühlschranktür und mußte laut lachen.
    Im zweiten Fach standen, ordentlich aufgereiht, neun kleine rosa Mäuse.
    Alle hatten eine Nase aus Schokolade.
    Alle hatten einen Schwanz aus Schokolade.
    Alle hatten Ohren aus Schokolade.
    Für wen sollten die denn sein? Für mich? Oder für Abaelard? Ich nahm eine in die Hand und roch daran. Marzipan. Neun kleine Marzipanmäuse. Ich schloß die Tür. Vielleicht würde ich morgen eine essen. Jetzt sollten sie ihre Ruhe haben. Ich lauschte auf ein Geräusch, eine Bewegung. Nichts. Plötzlich kam ich auf die Idee, daß ich eines Tages Bushy und Pancho mit in Mrs. Salzmans Wohnung bringen könnte. Vielleicht könnten die Abaelard hervorjagen. Wenn nicht die beiden, wer dann?
    Ich war in Gedanken derart mit dieser Möglichkeit, den merkwürdigen Kater doch noch zu Gesicht zu bekommen, beschäftigt, daß ich das Telefon erst hörte, als es bereits zum dritten Mal klingelte. Ich nahm ab. Es war Tony, und er war so aufgeregt, daß ich ihn kaum verstehen konnte. Er sagte, er sei in einer Bar auf der Madison Avenue zwischen Fortieth und Thirty-ninth Street. Der Laden hatte einen irischen Namen - Emerald Rock oder so ähnlich. Dort sollte ich ihn treffen. In einer Stunde.
    Die Bar war grauenhaft - überfüllt, laut, verqualmt. Schließlich entdeckte ich Tony, der an einem der Tische saß und ein überbackenes Truthahnsandwich mit Messer und Gabel verzehrte. Vor ihm stand ein riesiges Glas, in dem sich wohl Bier befand.
    »Schwedenmädel«, rief er. Ich ließ mich auf den Stuhl ihm gegenüber gleiten und starrte auf das Sandwich.
    »Willst du auch eines?« fragte er mit breitem Grinsen. Offensichtlich schmeckte es ihm.
    »Was hast du in der Bibliothek herausgefunden?«
    Langsam, beinah zeremoniell, legte er Messer und Gabel zur Seite, nahm einen Schluck Bier und wischte sich den Mund mit einer Papierserviette ab.
    »Faszinierende Dinge, Alice«, sagte er.
    »Was heißt das, faszinierende Dinge?«
    Er senkte seine Stimme. »Hast du schon mal von der Göttin Astarte gehört?«
    »Nein.«
    »Das war eine Göttin im alten Babylon. Eine wilde Dame, die ab und zu sogar Blut trank. Aber sie hatte auch gute Eigenschaften. Ein alter Mythos erzählt, daß sie einmal im Jahr in das Erdinnere reiste, um den Gott der Fruchtbarkeit freizulassen, der dort gefangengehalten wurde. Und in dem Moment, wenn er die Erdoberfläche erreichte, fingen alle Blumen an zu blühen und mit einem Schlag war der Frühling da.«
    »Eine schöne Geschichte, Tony, aber was hat das mit Jill Bonaventuras Nachricht an ihre Katze Missy zu tun?«
    »Nun, Alice, in den alten babylonischen Texten steht, daß der Fruchtbarkeitsgott in der Unterwelt in einem verlassenen Sumpf gefangengehalten wurde, was soviel bedeutet wie Desolate Swamp.«
    Ich wußte nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich war völlig verblüfft. Ich hatte keine Ahnung, was ich eigentlich erwartet hatte, aber ganz bestimmt nichts in dieser Art. Ich konnte Tony nur anstarren.
    Plötzlich begannen seine Gesichtsmuskeln zu zucken und einen Augenblick später brach er in Gelächter aus. »Du bist darauf hereingefallen ... du nimmst mir das wirklich ab ...« sagte er immer und immer wieder und lachte dabei, bis ihm die Tränen die Wangen hinunterliefen.
    Ich konnte nichts anderes tun als dasitzen und abwarten, bis er sich auf meine Kosten zu Ende amüsiert hatte.
    »Es tut mir leid, Alice«, sagte er, als er sich endlich wieder beruhigt hatte.
    »Schon gut, Tony, manchmal sind deine dauernden Attacken pubertären Verhaltens halt ein wenig langweilig.«
    »Na, aber dies hier wirst du wohl kaum langweilig finden«, gab er zurück und warf eine Straßenkarte auf den Tisch.
    Ich nahm die Karte.

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