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Eine Katze im Wolfspelz

Eine Katze im Wolfspelz

Titel: Eine Katze im Wolfspelz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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erarbeitet.«
    »Ein Profil? Wessen Profil?«
    »Das Profil des Mörders.«
    »Und worauf basiert dieses Profil?«
    »Auf den Daten des FBI.«
    »Aber ich habe Ihnen doch schon gesagt, seine Zahlen mögen zwar stimmen, aber seine Interpretation dieser Zahlen ist falsch.«
    »Ich weiß, ich erinnere mich. Sie sagten, daß die Zahlen mit den Lebens- und Fruchtbarkeitszyklen von Katzen zusammenhängen. Nun, die Tatsache, daß Sie das behaupten, heißt ja nicht, daß Sie recht haben. Niemand bei Retro glaubt Ihre Theorie.«
    Es entstand eine unangenehme Stille. Sie drehte sich um und schaute mißbilligend auf den Stapel Tatortfotos auf meinem Tisch.
    »Wissen Sie«, sagte sie in sonderbarem Tonfall, »wir sind ungefähr im gleichen Alter.«
    »Ich dachte eigentlich, daß ich ein bißchen jünger wäre«, gab ich zurück. Meine Antwort hatte nichts mit dem Aussehen zu tun. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie alt sie wirklich war. Es war lediglich ein kleiner Seitenhieb auf ihren Starrsinn - diese fast schon greisenhafte Unfähigkeit all dieser Retro-Leute, ihre Analysetechnik etwas zu erweitern.
    »Kann sein«, sagte sie nachdenklich und ignorierte meine Stichelei, »wenn wir uns unter anderen Umständen kennengelernt hätten, wären wir vielleicht gute Freundinnen geworden.«
    »Wer weiß«, antwortete ich.
    »Im Grunde«, fuhr sie lächelnd fort, »haben wir nämlich einen ähnlichen Geschmack.«
    Ich sah sie irritiert an.
    »Oh, ich meine das Theater und all diese Dinge.« Es war wirklich komisch, wie vielen Leuten man im Laufe eines Lebens begegnete, die irgendwann einmal zum Theater gewollt hatten. Es war fast wie eine Seuche.
    »Ich hatte keine Ahnung, daß Sie etwas mit dem Theater zu tun hatten«, sagte ich sarkastisch. »Sie machen nicht den Eindruck, als ob Sie mit Ausdrücken wie ›innere Logik der Handlung‹ viel anfangen könnten.«
    »Was zum Teufel soll dieser Blödsinn denn heißen?« fragte sie, und in ihren Augen glomm Wut auf.
    »Nun, es scheint mir wirklich absurd, daß der einzige Grund, warum sich Retro mit diesem Fall beschäftigt, die Tatsache ist, daß bei jedem dieser Morde eine Spielzeugmaus neben der Leiche gefunden wurde. Und weil diese Spielzeugmaus immer noch Kern des Falles ist, sollte doch der nächste Schritt darin bestehen, sich mit den Katzen zu beschäftigen, oder nicht? Mäuse und Katzen gehören zusammen. Das versteht man unter ›innere Logik der Handlung‹.«
    »Ich bin nicht hergekommen, um mich mit Ihnen zu streiten«, gab sie zurück.
    »Warum sind Sie dann gekommen?«
    »Um Sie zu fragen, ob Sie langsam den Verstand verlieren.«
    »Ich denke, meine kleinen grauen Zellen sind noch ganz okay.«
    »Ach ja? Und warum suchen Sie dann im Computer unter solch schwachsinnigen Stichworten wie ›Blattsträußchen‹, ›Sumpf‹, und ›schiefe Bilder‹? Viele meiner Kollegen meinen inzwischen auch, daß sie untragbar sind, Alice. Und ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, daß Sie sich möglichst unauffällig verhalten.«
    »Wie unauffällig?«
    »Das ist jetzt auch egal. Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, daß unsere Zusammenarbeit beendet ist. Geben Sie einfach Ihre letzte Rechnung und die Aufstellung Ihrer Unkosten ab, und wir werden zahlen.«
    Ihre Worte überraschten mich. Ich hatte nicht damit gerechnet, gefeuert zu werden. Ich hatte gedacht, wir hätten all unsere Differenzen beigelegt. Und außerdem war Tony bereits auf dem Weg in den Norden. Offensichtlich begann hier einiges schiefzulaufen.
    »Können wir das vielleicht noch ein bißchen verschieben?« fragte ich freundlich. »Können Sie mir noch eine Woche geben?«
    »Warum?«
    »Weil ich da einer Sache auf der Spur bin ... ich habe etwas herausgefunden.«
    »Daß eine Katze zehn Leben hat?« fragte sie verächtlich. »Sehen Sie, Alice, Miss Nestleton, die ganze Sache ist von Anfang an ein Fehler gewesen. Sie haben sich im Wunderland Ihrer Phantasie verloren, aber wir führen hier polizeiliche Ermittlungen durch«.
    »Da wäre ich nie drauf gekommen«, sagte ich freundlich.
    Sie sah mich ärgerlich an. Dann sagte sie: »In einer Stunde haben Sie dieses Kämmerchen geräumt! Und denken Sie daran, von dem Augenblick an, in dem Sie dieses Gebäude heute verlassen, haben Sie keinerlei Zugang mehr zu Rétros Datenmaterial. Versuchen Sie nicht, noch irgendwelche wie auch immer gearteten Nachforschungen anzustellen.«
    Sie ging so schnell hinaus, daß durch den Luftzug mehrere Blätter langsam von meinem Tisch auf

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