Eine Krone für Alexander (German Edition)
zugeschwollen. Pausanias’ restlicher Zustand passte zu dem seines
Gesichts. Seine Kleidung war zerfetzt und schmutzig, die sichtbaren Teile
seines Körpers von Schrammen und Kratzern übersät. Überall an ihm klebten Blut
und Schmutz, auch Stallmist, wie Alexander naserümpfend feststellte.
Trotz seines erbärmlichen Zustands hielt sich Alexanders
Mitgefühl in Grenzen. Ohne echtes Interesse fragte er sich, in welche
Schwierigkeiten sich der Hitzkopf diesmal wieder hineinmanövriert hatte. Am
liebsten wäre er wieder gegangen. Er warf einen Blick zu Alketas, der mit
hilfloser Miene auf der anderen Seite der Pritsche stand, einen nassen Lappen
in der Hand, mit dem er Pausanias das Blut aus dem Gesicht gewischt hatte. Er
und Polemon drüben an der Tür wirkten so unglücklich und besorgt, dass Alexander
sich seufzend wieder Pausanias zuwandte.
„Was ist passiert?“ Er schüttelte den jungen Mann an der
Schulter. „Wer war das?“
„Attalos“, sagte Polemon mit flacher Stimme von der Tür her.
„Attalos?“ Das ergab keinen Sinn. Warum sollte der immer so
besonnene Attalos Pausanias so zugerichtet haben? Dann wurde Alexander klar,
dass Polemon nicht von seinem Bruder sprach, sondern vom Onkel Kleopatras,
Philipps neuer Braut. „Was hat Pausanias mit Attalos zu tun?“, fragte er, immer
noch ratlos.
„Er ist ein Verwandter von Pausanias … ich meine, dem anderen
Pausanias. Dem, der in Illyrien gefallen ist.“
„Das wusste ich nicht.“
„Keiner wusste das. Pausanias’ Familie kommt aus Beroia,
genau wie Attalos. Vor seinem Tod muss er ihn ins Vertrauen gezogen haben.“
Nun ergab das Ganze einen Sinn. Wenn Attalos ein Verwandter
des verstorbenen Pausanias war, lag es durchaus nahe, dass er an dessen
Beleidiger Rache genommen hatte. Dem Zustand seines Opfers nach war er dabei
nicht eben fair vorgegangen. Pausanias sah erbarmungswürdig aus.
„Warum habt ihr ihn nicht zum Arzt geschafft?“
Schnell sagte Alketas: „Das wäre nicht gut gewesen.“
„Er ist verletzt! Er braucht ärztliche Versorgung.“
„Es ist nur so … er ist nicht nur einfach verprügelt
worden.“
Alketas wandte den Blick ab und knetete nervös den blutigen
Lappen. Alexander sah zu Polemon hinüber, aber der blickte verlegen zu Boden.
„Raus mit der Sprache!“
Im Flüsterton sagte Alketas: „Sie haben ihn vergewaltigt.“
Alexander erwiderte nichts, starrte nur auf den reglos daliegenden
Pausanias. Wie immer es weitergehen würde, im Augenblick brauchte er jedenfalls
einen Arzt. „Polemon, lauf zum Palast und hol den Arzt Philippos. Er ist
vertrauenswürdig und wird nicht reden.“
Als Polemon verschwunden war, nahm Alexander Alketas am Arm
und zog ihn hinaus vor die Tür. Er schloss sie, damit Pausanias nichts hören
konnte. „Was ist passiert?“
„Attalos hat Pausanias zu einem Symposion eingeladen, und er
ist hingegangen. Er wusste ja nicht, dass er ein Verwandter des anderen
Pausanias war. Jedenfalls hat Attalos ihn betrunken gemacht, und dann sind er
und die anderen Gäste über ihn hergefallen. Danach haben sie ihn in die Ställe
geschleppt und den Maultiertreibern überlassen.“ Jetzt, wo die Sache heraus
war, fiel Alketas das Reden leichter. „Am Morgen kam er wieder zu sich,
schmutzig und blutend. Mit letzter Kraft schleppte er sich zum Kasernentor.
Dort hat Polemon ihn gefunden, und wir haben ihn in meine Unterkunft geschafft,
weil sie um diese Zeit leer ist. Wir wollten nicht, dass jemand etwas
mitbekommt.“
„Seinem vorgesetzten Offizier werdet ihr es aber sagen müssen.
So wie Pausanias aussieht, wird er tagelang dienstunfähig sein.“
„Das ist der Grund, warum Polemon dich geholt hat. Wir
dachten, du könntest vielleicht mit dem Offizier reden. Damit nichts
durchsickert.“
„Wer ist es? Ich rede mit ihm.“
Hephaistion nahm Alexander für ein paar Tage mit zum Gestüt
seines Vaters, damit er auf andere Gedanken kam. In aller Frühe gingen sie
hinaus auf die Koppeln hinter dem Haus, und Alexander sah zu, wie Hephaistion
eines der Pferde einfing, sich auf seinen Rücken schwang und mit ihm die
einzelnen Gangarten durchging. Am Abend hatte es geregnet, doch der neue Tag
würde schön werden. Die Sonne stieg höher und brachte die letzten Tropfen an
den Grashalmen zum Glitzern. Vom nahe gelegenen Obstgarten stieg noch immer
leichter Nebel auf.
Attalos hatte persönlich dafür gesorgt, dass der Skandal
sich in kürzester Zeit verbreitet hatte. Sobald Pausanias
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