Eine Krone für Alexander (German Edition)
deshalb
hat mich dein Vater mit nach Pella genommen. Doch wenn ich erwachsen bin, also
in spätestens zwei, drei Jahren, wird er Arybbas absetzen und mich zum König machen.“
„Wer ist Arybbas?“, fragte Alexander.
„Mein Onkel, der jüngere Bruder meines Vaters. Als mein Vater
starb, war ich als sein einziger Sohn der rechtmäßige Erbe, aber weil ich noch
ein Kind war, wurde Arybbas als Regent eingesetzt und als Vormund für meine
Schwestern. Doch Arybbas hat uns verraten, er hat meine älteste Schwester zur
Frau genommen und sich selbst zum König gemacht. Meine andere Schwester hat er
mit deinem Vater verheiratet, um sich gut mit ihm zu stellen. Aber er hat sich
verrechnet! Eines Tages wird Philipp mir mein Erbe zurückgeben, das hat er mir
versprochen.“
„Was ist, wenn Arybbas damit nicht einverstanden ist?“
„Dann wird Philipp mit seinem Heer nach Epeiros kommen und
ihn davonjagen. Und wenn Arybbas nicht schnell genug rennt, dann lasse ich ihn
hinrichten für seinen Verrat.“ Olympias Bruder’ fuhr sich mit einer ruckartigen
Handbewegung über den Hals und unterstrich sie mit einem dazu passenden
Geräusch. „Wusstest du übrigens, dass es in Dodona ein berühmtes Orakel gibt?
Es ist Zeus und seiner Gemahlin Dione geweiht.“
„Ja, meine Mutter hat mir davon erzählt. Es ist genauso berühmt
wie das des Apollon in Delphi oder das des Zeus Ammon in der libyschen Wüste.“
„Noch berühmter“, beteuerte Alexander, zukünftiger König der
Molosser. „Es ist das älteste Orakel der Welt. Wenn ich König bin, kannst du
mich in Dodona besuchen, und dann zeige ich dir auch unser Orakel.“
7
Von einem pensionierten Offizier namens Koiranos erhielt
Alexander Reitunterricht. Die Pferde, auf denen Koiranos ihn reiten ließ,
hatten in Alexanders Augen jedoch alle einen entscheidenden Schönheitsfehler:
Sie waren ziemlich klein, eher Ponys als richtige Pferde. Alexander war
frustriert, doch sein Lehrer befand, er sei für richtige Pferde noch nicht groß
genug. Auch sonst gingen die Meinungen auseinander. Alexanders Trachten richtete
sich darauf, einfach nur so schnell zu galoppieren, wie es ging. Koiranos
dagegen meinte, ein guter Reiter zeichne sich dadurch aus, dass er nicht
einfach nur sinnlos dahinhetzte, sondern sein Tier in jeder Situation und
Gangart perfekt beherrschte.
Eines Tages, Alexander hatte sein Pferd (oder Pony) schon
bei den Stallknechten abgeliefert, pfiff ihn ein gleichaltriger Junge mit roten
Haaren an. Er hatte ihn schon oft auf der Reitbahn in halsbrecherischem Tempo
herumjagen gesehen, während er selbst unter Koiranos’ strenger Aufsicht seine
Übungen absolvierte.
„Sag mal, ist es dir nicht zu langweilig, immer nur im Kreis
herumzureiten?“, erkundigte sich der Rothaarige mit fremdartigem Akzent.
Salbungsvoll erwiderte Alexander: „Einen wirklich guten Reiter
erkennt man daran, dass er nicht einfach nur drauflosprescht, sondern sein
Pferd in allen Situationen beherrscht.“
Der andere lachte meckernd. „Ich wette, den Spruch hast du
von deinem Lehrer. Hast du nicht Lust, mal richtig zu
reiten? Wie wäre es mit einem Wettrennen?“
„Ich habe mein Pferd schon abgegeben. Außerdem ist es kleiner
als deins. Das wäre kein faires Rennen.“
„Mein Pferd ist sowieso müde, aber wir können uns andere
besorgen. Im Moment ist in den Ställen viel los, das merkt bestimmt keiner. Ich
heiße übrigens Langaros.“
Langaros lieferte sein erschöpftes Tier ab, dann schlichen
sie heimlich zurück in die Ställe und suchten zwei frische Pferde aus. Den Rest
des Nachmittags machten sie gemeinsam die Reitbahn unsicher. Als sie die völlig
erschöpften Tiere schließlich zu den Ställen zurückbrachten, harrte ihrer dort
ein stinkwütender Koiranos.
„Ihr verdammten Lümmels!“, brüllte er und fuchtelte mit
seiner Reitpeitsche. „Was fällt euch ein, euch Pferde zu klauen und damit wie
die Irren über die Reitbahn zu hetzen? Wenn ihr euch unbedingt die Knochen brechen
wollt, bitte! Aber habt ihr mal an die armen Tiere gedacht? Zur Strafe reibt
ihr sie jetzt eigenhändig ab und sorgt dafür, dass sie zu fressen und zu saufen
kriegen! Und danach mistet ihr den Stall aus!“
Also kümmerten sich die beiden
Missetäter wie befohlen zuerst um die Pferde und danach um den Stall, während
die Stallknechte, zu deren Obliegenheiten dies normalerweise gehörte, gemütlich
in einer Ecke des Hofes saßen, ihnen bei der Arbeit zusahen und sich über sie
lustig machten.
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