Eine Krone für Alexander (German Edition)
so! Du hast mit Steinen nach meinem Pferd
geworfen!“
„Amyntas, stimmt das etwa?“, fragte die Stimme entrüstet.
„Es waren keine Steine, sondern nur Lehmklumpen, und er hat
gar kein richtiges Pferd, sondern nur ein Pony.“
„Das ist die blödeste Ausrede, die ich je gehört habe, Amyntas!
Schämst du dich nicht, ein Pferd zu quälen? Mach lieber, dass du wegkommst,
sonst erzähle ich es dem König! Auch das, was du vorhin gesagt hast!“
Plötzlich hatte Amyntas es sehr eilig, und sobald er außer
Sichtweite war, wurde auch Alexander endlich losgelassen. Er fuhr herum und
erblickte einen Jungen, bedeutend größer als er selbst und sogar größer als Amyntas.
Der Junge fragte: „Bist du in Ordnung?“
„Ja, aber ich möchte nach meinem Pferd sehen.“
Sie gingen zu dem Tier hinüber und untersuchten es sorgfältig.
„Scheint in Ordnung zu sein“, meinte der große Junge. „Amyntas ist ein Idiot.
So laut wie er gebrüllt hat, kann er von Glück sagen, wenn ihn nicht noch andere
gehört haben. Dann bekommt er nämlich Ärger.“
„Wegen diesem Unsinn, von wegen, dass er der König ist? Wie
kommt er auf so was?“
„Es ist nicht ganz Unsinn.“ Der
Junge zögerte einen Augenblick, dann senkte er die Stimme. „Ich erkläre es dir.
Du weißt doch, dass dein Vater zwei Brüder hatte, Alexander und Perdikkas,
oder?“
„Ja. Alexander war der älteste. Als mein Großvater starb,
war er für kurze Zeit König, aber dann starb er auch, und weil er keine Söhne
hatte, wurde mein Vater sein Nachfolger.“
„Das ist nicht ganz richtig.“ Nervös fuhr sich der andere Junge
mit der Zunge über die Lippen. „Tatsächlich wurde erst mal Perdikkas König.
Aber er starb auch bald, und als Nächstes wurde Amyntas König.“
„Amyntas? König?“, trompetete Alexander schockiert.
„Pst, leise!“ Der andere sah sich nervös um, dann winkte er
Alexander nahe an sich heran und flüsterte ihm ins Ohr. „Es stimmt aber!
Perdikkas war der zweitälteste Bruder, älter als dein Vater, und als er starb,
wurde sein Sohn König, und das war Amyntas. Der war aber noch ein Kleinkind, deshalb
wurde dein Vater als Regent für ihn eingesetzt. Doch nach ein oder zwei Jahren
setzte Philipp Amyntas ab und machte sich selbst zum König.“
Alexander starrte den Jungen sprachlos an. Das musste er
erst einmal verdauen – niemand hatte in seiner Gegenwart jemals auch nur ein
Wort darüber verloren. Plötzlich tat ihm Amyntas leid. Wenn stimmte, was er
eben gehört hatte, dann war ihm großes Unrecht widerfahren, und dann verstand
Alexander auch, warum sein Cousin immer so unfreundlich zu ihm war.
Inzwischen flüsterte der andere Junge weiter. „Deshalb hält
sich Amyntas jetzt natürlich für den rechtmäßigen König, aber er ist der
Einzige, der das so sieht. Wenn dein Vater hört, dass er darüber spricht, kann
er großen Ärger bekommen, denn das ist eigentlich Hochverrat. Dafür kann man
hingerichtet werden. Also erzählst du am besten nichts weiter, auch wenn du
jetzt sauer auf Amyntas bist.“
„Ich werde nichts verraten“, beteuerte Alexander leise. Es
war wohl besser, das Thema zu wechseln. Neugierig musterte er den größeren
Jungen, der eine auffällige Hakennase und ein vorspringendes Kinn besaß. In normaler
Lautstärke fragte Alexander: „Wie heißt du eigentlich?“
Der Junge tippte mit dem Daumen gegen seine Brust und
grinste. „Ptolemaios, Sohn des Lagos aus Eordaia. Ich bin bei den
Königsjungen!“ Mit sichtlichem Stolz zog er die Falten seiner Chlamys auseinander,
deren Saum ein purpurner Streifen zierte.
„Den Königsjungen?“
„Söhne von Adligen, hohen Offizieren, verbündeten Fürsten
und anderen wichtigen Leuten. Wir werden am Hof des Königs erzogen und bekommen
eine militärische Ausbildung, weil wir später einmal Offiziere in der Armee
werden. Außerdem tun wir Dienst beim König und dürfen an seiner Tafel essen.
Wir kümmern uns um seine Waffen, führen ihm seine Pferde vor und helfen ihm
hinauf. Nachts stehen wir Wache vor seiner Tür. Wenn er auf die Jagd geht,
kommen wir mit, ebenso, wenn er in den Krieg zieht.“
„Warum bist du dann jetzt nicht beim König auf der Chalkidike?“
Das versetzte Ptolemaios’ Stolz einen Dämpfer, aber keinen
großen. „Nur die Älteren von uns begleiten den König in den Krieg. Die Jüngeren
bleiben in Pella und bekommen weiter Unterricht, in Literatur, Mathematik,
Geografie, eigentlich in allem, was man heute wissen muss, wenn man
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