Eine Krone für Alexander (German Edition)
mitreden
will.“
„Wie wird man ein Königsjunge?“, erkundigte sich Alexander
hoffnungsvoll.
„Man muss das richtige Alter haben, mindestens vierzehn, und
einen Vater, der irgendwie wichtig ist. Der Dienst dauert vier Jahre. Danach
wird man Offizier in der Armee, oder man bekommt einen anderen wichtigen
Posten. Wenn man gut ist, macht man Karriere, und dann wird man ein Hetairos
des Königs.“
„So wie in der Ilias.“ Hier kannte Alexander sich aus, auch
bei Homer wurden die Gefolgsleute der Könige als Hetairen, Gefährten,
bezeichnet.
Ptolemaios nickte. „Richtig. Die Hetairen folgen dem König
in den Krieg, aber sie erledigen auch andere wichtige Aufgaben für ihn, sie
begleiten ihn überall hin und werden zu den königlichen Symposien eingeladen.
Es ist eine sehr hohe Ehre. Später werde ich auch mal einer.“
8
Gegen Ende des Jahres hatte der König Olynthos eingenommen
und die Stadt bis auf die Grundmauern zerstört. Die überlebenden Einwohner waren
in die Sklaverei verkauft, ihre Ländereien an makedonische Kolonisten verteilt
worden. Der Krieg war zu Ende, und der König war mit seiner siegreichen Armee
nach Dion gezogen, in die heilige Stadt des Zeus und der Musen. Hier, am Fuß
des Olymps, hatte er seinen Triumph durch die Abhaltung sportlicher und
künstlerischer Festspiele gefeiert.
Nicht lange nachdem er nach Pella zurückgekehrt war, ließ er
seinen Sohn zu sich rufen, und wie wahrscheinlich jeder Junge in vergleichbarer
Situation ließ Alexander vor seinem inneren Auge alle Untaten Revue passieren,
die er sich während der väterlichen Abwesenheit hatte zuschulden kommen lassen.
Der Ausflug mit Proteas und Attalos in die Stadt? Das Wettrennen mit Langaros?
Der Streit mit Amyntas?
Der König saß hinter einem Tisch, auf dem sich ein Berg von
Schriftrollen und Schreibtafeln türmte. Er las in einer Rolle und blickte nur
kurz auf, als Leonidas Alexander hineinschickte. „Hol dir einen Stuhl und setz
dich.“
Die Läden zum Innenhof standen weit offen und ließen die
tief stehende Wintersonne herein. Nach einiger Zeit rollte der König seine
Schriftrolle zusammen, warf sie auf den Tisch und musterte Alexander mit seinem
einzigen Auge. Die andere Augenhöhle war nur noch vernarbtes Gewebe. Alexander
konnte sich nicht erinnern, sie jemals aus so großer Nähe gesehen zu haben, und
prompt begann er, sich unter dem einäugigen Blick unbehaglich zu fühlen.
„Ich habe gehört, du hattest Streit mit Amyntas?“
„Ja.“
„Worum ging es?“
„Er hat mein Pferd mit Lehmklumpen beworfen.“
„Und sonst?“
Alexander erinnerte sich an Ptolemaios’ Warnung. „Wir haben
uns angebrüllt.“
„Aha.“ Der König lehnte sich zurück, faltete die Hände über
dem Bauch und legte den Kopf schief. „Amyntas hat nicht zufällig behauptet, er
sei der König?“
„Hat Ptolemaios etwas verraten?“, rutschte es Alexander heraus.
„Ptolemaios? Nein. Aber hier im Palast haben sogar die Wände
Ohren. Man kann nie wissen, wer alles mithört. Am besten, du merkst dir das für
später. Wie war das nun mit Amyntas?“
Alexander rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her.
Schließlich gab er zu: „Ja, er hat so etwas gesagt.“
„Hat er auch erwähnt, dass ich ihm den Thron gestohlen habe?“
Alexander nickte widerstrebend.
„Soso. Hat Ptolemaios dir erklärt, was es damit auf sich
hat?“
„Er hat nur gesagt, dass Amyntas der Sohn deines Bruders
Perdikkas ist und nach dessen Tod König wurde. Und dass du ursprünglich Regent
für ihn warst.“
„Und jetzt fragst du dich, ob ich ihm den Thron gestohlen
habe.“
Alexander rutschte weiter auf dem Stuhl herum. Es war nicht
so einfach, seinem Vater ins Gesicht zu sagen, dass man ihn im Verdacht hatte,
ein Thronräuber zu sein.
Der König seufzte. „Ptolemaios hat recht, Amyntas war als
Kind tatsächlich für kurze Zeit König, und ich war nur Regent. Damals gab es in
Makedonien Krieg. Von allen Seiten fielen Feinde über uns her wie Geier über
Aas. Von außen bedrohten uns mord- und raubgierige Barbarenstämme, und im
Inneren sorgten gleich drei verschiedene Prätendenten für Unruhe.“
„Was sind Prätendenten?“
„Leute, die Anspruch auf den Thron erheben. Immer wenn ein
König stirbt und es Unsicherheiten wegen der Nachfolge gibt, kommen sie wie
Ungeziefer aus allen Löchern. Nach Perdikkas’ Tod brauchte Makedonien einen
starken König. Einen, der mit allen Feinden fertig werden konnte. Amyntas
konnte das nicht, er war
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