Eine Krone für Alexander (German Edition)
Bestürzt starrte er auf das brüllende Kind
und suchte verzweifelt nach etwas, was er sagen konnte, doch ihm fiel nichts
ein.
Kynnana begann zu lachen. „Du machst genauso ein hilfloses
Gesicht wie unser Vater. Er kann mit so kleinen Kindern auch nichts anfangen.“
Die Kinderfrau setzte Hadeia wieder auf den Boden zu ihrem Spielzeug, und das
Geschrei riss schlagartig ab.
„Das geht wahrscheinlich allen Männern so“, erklärte Alexander
weise.
„Nicht Amyntas. Er vergöttert seine Tochter.“
Pflichtschuldigst erkundigte sich Alexander nach dem Befinden
seines Cousins.
„Warum fragst du ihn nicht selbst?“, sagte Kynnana mit einem
Anflug von Boshaftigkeit. „Wir erwarten ihn jeden Augenblick zurück.“ Als sie
seine Bestürzung sah, setzte sie hinzu: „Schon gut, es war nur ein Scherz. Er
inspiziert Truppen in Amphipolis. Du musst keine Angst haben, dass er plötzlich
hereinschneit.“
Dann wechselte sie abrupt das Thema und begann, sich ausgiebig
über Attalos’ Nichte zu beschweren. „Diese Person tut so, als sei sie die
einzige rechtmäßige Gemahlin des Königs. Mich nimmt sie gar nicht zur Kenntnis,
ich bin für sie nur die Tochter der ‚illyrischen Konkubine‘. Wenn sie sich in
der Öffentlichkeit zeigt, dann ist sie so mit Gold und Juwelen behängt wie die
Hauptgemahlin des Großkönigs. Kaum war meine Mutter tot, hat sie sich auch
schon ihren Namen angeeignet. Eine Frechheit!“
„Nicht eben pietätvoll, so kurz nach ihrem Tod“, stimmte
Alexander ihr zu. „Wahrscheinlich will sie dadurch von Großmutters Reputation
profitieren, so wie deine Mutter seinerzeit auch.“
„Das war etwas völlig anderes“, ärgerte sich Kynnana. „Es
ist ein alter illyrischer Brauch, den Namen eines verstorbenen Blutsverwandten
anzunehmen.“
„Blutsverwandt? Deine Mutter und Eurydika? Großmutter
stammte aus dem Königshaus von Lynkestis!“
„Ihre Mutter ja, aber ihr Vater Sirrhas war ein illyrischer
Abenteurer, der sich bei den Lynkesten eingenistet und die Tochter des alten
Arrhabaios geheiratet hatte. Er war ein Verwandter von Bardylis. Wusstest du
das nicht?“
„Eurydika hat immer bestritten, illyrischer Herkunft zu
sein.“
„Wie kann man nur so naiv sein! Du musst doch gemerkt haben,
dass man unserer Großmutter so gut wie nichts glauben konnte. Trotzdem ist es
eine Unverschämtheit, dass diese Kleopatra jetzt ihren Namen usurpiert.“
Alexander konnte seiner Halbschwester da nur zustimmen, und
so zogen sie eine Zeit lang gemeinsam über Kleopatra her, über Attalos und
seine Anhänger, die von Tag zu Tag anmaßender wurden. Nach einiger Zeit verabschiedete
sich Alexander, nur für den Fall, dass Kynnana doch keinen Scherz gemacht hatte
und ihr Mann jeden Augenblick auftauchen konnte.
„Richte Amyntas meine Grüße aus“, sagte er zum Abschied
höflich.
„Aber gern. Er lässt dich übrigens ebenfalls herzlich
grüßen“, zwitscherte Kynnana honigsüß.
Wenn sie sich schon wieder stark genug fühlt für ihre
kleinen Nadelstiche, wird sie wohl bald über ihren Verlust hinwegkommen, dachte Alexander mit einer gewissen Erleichterung.
Am Abend, bevor Parmenion und Attalos mit dem Voraustrupp
aufbrachen, gab der König ein rauschendes Abschieds-Symposion für sie und die
anderen Offiziere. Alexander hatte beschlossen, sich nach außen hin nichts
anmerken zu lassen. Er ignorierte die spöttischen Blicke, die ihm von verschiedenen
Seiten zugeworfen wurden. Scheinbar zwanglos unterhielt er sich mit Antipatros
und anderen Gästen und machte nur um Attalos und seine Anhänger einen Bogen.
Eumenes langweilte ihn eine Zeit lang mit Logistikproblemen der Armee, ehe er
eine unerwartete Bemerkung fallen ließ.
„Es war klug von dir, das Orakel in Dodona nicht zu befragen.“
Erstaunt sah Alexander den Sekretär an. Seine Stimme hatte
sich in keiner Weise verändert, ebenso wenig wie sein blasiert-gelangweilter
Gesichtsausdruck. Ein Beobachter musste den Eindruck gewinnen, dass er noch
immer seinen geliebten Verwaltungskram durchhechelte.
„Wie meinst du das?“, erwiderte Alexander ebenso beiläufig.
„Jemand hat Nachforschungen in Dodona angestellt. Ein
entsprechender Bericht befindet sich in den Geheimarchiven.“
„Was steht darin?“
„Dass du das Orakel besucht hast. Doch es wurden keine
Anhaltspunkte dafür gefunden, dass du eine Frage gestellt hast. Und vor allem
auch nicht, wie sie gelautet haben könnte.“
Alexander dachte nach. In seiner Zeit als Regent hatte er
das
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