Eine Krone für Alexander (German Edition)
seine Rückkehr erleichtert
waren.
Alle traten an den großen Tisch in der Mitte, auf dem Eumenes
seine Papyros-Rollen abgeladen hatte. Die darauf ausgebreitete Karte, gab die
östlichen Küstengebiete des Unteren Asiens wieder. Philipp hielt eine weitere
Rede, wonach der Feldzug, auf den sie so lange hingearbeitet hätten, nun bald
beginnen könne. Bei Amphipolis sollten sich die Truppen für das Vorauskommando
sammeln. Eumenes nannte die Truppenstärken und die Namen der Regimentskommandeure,
die Zahlen für Proviant und Ausrüstung sowie die der Kriegs- und
Transportschiffe. Insgesamt sollten zehntausend Mann, darunter tausend Reiter,
den Hellespont überqueren. Den Oberbefehl würden Parmenion und Attalos haben.
Im ersten Augenblick glaubte Alexander, sich verhört zu haben,
doch die peinliche Stille, die eingetreten war, bewies ihm das Gegenteil. Er
sah zu Attalos hinüber, der triumphierend grinste, und fühlte, wie eine Welle
von Wut in ihm aufstieg. Antipatros fing seinen Blick ein und schüttelte
warnend den Kopf. Die anderen Offiziere taten, als ob nichts vorgefallen sei.
Alexander bemühte sich, seine Enttäuschung und Wut niederzukämpfen und den
Erläuterungen weiter zu folgen.
Wenn alles nach Plan lief, würde der König im nächsten Frühjahr
mit der Hauptstreitmacht folgen, während Antipatros als Regent in Makedonien
blieb. Wieder leierte Eumenes Truppenstärken und Offiziersnamen herunter.
Antipatros berichtete vom Stand der Verhandlungen mit den griechischen
Verbündeten und nannte die ungefähren Zahlen der Truppen und Schiffe, die man
ihnen abzupressen gedachte. Drüben in Asien schien unterdessen alles ruhig zu
sein. Entweder hatten die Satrapen noch keinen Verdacht geschöpft (was
unwahrscheinlich war) oder sie hatten im Moment andere Sorgen.
Als die Besprechung zu Ende war, verließen die Offiziere den
Raum. Attalos warf Alexander einen höhnischen Blick zu, als er an ihm vorüberging.
Alexander ignorierte ihn und wartete, bis alle verschwunden waren. Auch Philipp
war geblieben. Sie standen einander gegenüber und starrten sich an, über die
volle Länge des Tischs hinweg.
Schließlich sagte Philipp: „Ich weiß, es war anders geplant,
aber wegen deiner Abwesenheit mussten wir umdisponieren, und nun ist es zu
spät, um es wieder rückgängig zu machen. Es wäre unfair gegenüber Attalos.“
„Aber mir gegenüber ist es nicht unfair?“, erwiderte Alexander
frostig.
„Komm, mach nicht so ein Gesicht. Wir finden schon eine
andere Aufgabe für dich.“
„Wenn Parmenion und Attalos das Vorauskommando führen und du
die Hauptstreitmacht und wenn Antipatros dein Stellvertreter in Makedonien
wird, dürfte für mich nicht mehr viel zu tun bleiben.“
„Möchtest du vielleicht statt Antipatros als Regent in Pella
bleiben?“
„Nein!“, fauchte Alexander. „Wir hatten abgemacht, dass ich
das Vorauskommando führe.“
„Und zwar zusammen mit Parmenion. Aber wie gesagt: Wir
mussten umdisponieren.“ Philipp grinste. „Sieh es doch einmal so: Wenn Attalos
nach Asien geht und du hierbleibst, musst du dich wenigstens nicht mit ihm
herumschlagen, wo du ihn doch so sehr verabscheust.“
4
Kynnana hatte sich in einem kleinen, schattigen Innenhof
häuslich niedergelassen. Alexander sprach ihr sein Beileid zum Tod ihrer Mutter
aus und äußerte anerkennende Worte über die Verstorbene. Audata hatte war eine
willensstarke, mutige Frau gewesen, und das hatte ihm imponiert.
„In Illyrien haben wir noch über sie gesprochen, Pleurias
und ich. Wusstest du, dass es noch einen Bruder von ihr gibt? Kleitos, König
der Dardaner, ein Sohn des alten Bardylis. Demnach müsste er dein Onkel sein.“
„Ja, das wusste ich.“
Kynnana wirkte sehr einsilbig. Der Verlust ihrer Mutter
hatte sie sehr getroffen. Um sie auf andere Gedanken zu bringen, fragte er:
„Wie geht es deiner Tochter? Ist sie gesund und munter?“
„Ja. Danke, dass du fragst.“
Hadeia, inzwischen drei Jahre alt, hockte in der Nähe auf
dem Boden und spielte mit Figuren aus geschnitztem Holz. Er sah genauer hin und
bemerkte, dass es Soldaten waren – ein seltsames Spielzeug für ein kleines
Mädchen. Wie er gehofft hatte, wurde Kynnana lebhafter, sobald es um ihre
Tochter ging. Sie gab der Kinderfrau ein Zeichen, und diese nahm die Kleine vom
Boden hoch und brachte sie zu ihnen herüber. Nach einem kurzen
Überraschungsmoment fing Hadeia an, ohrenbetäubend zu kreischen, und Alexander
konnte es ihr nicht einmal verübeln.
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