Eine Krone für Alexander (German Edition)
prächtigsten
Audienzsaal des Palasts. Ein Hofbeamter namens Chares, ein Grieche aus Mytilene,
dirigierte alle zu ihren Plätzen, doch zu seiner Verzweiflung liefen die
meisten gleich darauf wieder auseinander, standen in Gruppen herum und
unterhielten sich angeregt, während sie auf das Erscheinen des Königs warteten.
In einer Ecke drängten sich die Festgesandten, die der König vor einiger Zeit
zum Orakel von Delphi geschickt hatte. Nun waren sie zurückgekehrt und warteten
auf ihren großen Auftritt.
„Wissen wir schon Näheres über den neuen Großkönig?“, erkundigte
sich Alexander bei Antipatros.
Vor Kurzem war die Nachricht eingetroffen, dass geschehen
war, was alle Welt schon seit Langem erwartet hatte: Bagoas, der ebenso macht-
wie mordgierige Eunuch, hatte den jungen Großkönig Arses ermorden lassen. Wie
immer, wenn im persischen Reich Thronwirren herrschten, starrten die Satrapen
wie gebannt Richtung Susa. Das Auftauchen von zehntausend schwer bewaffneten
Feinden auf ihrem Territorium schien im Vergleich dazu nebensächlich zu sein,
und so hatten Parmenion und Attalos in Asien freie Hand.
„Da Bagoas die Königsfamilie praktisch ausgerottet hat,
musste er jemanden aus einer Seitenlinie auf den Thron setzen“, erwiderte
Antipatros. „Der Neue nahm den Thronnamen Dareios an, wohl um sich von den vielen
Artaxerxessen abzusetzen, die zuletzt mehr oder weniger ruhmreich regiert
haben. Es heißt, als noch der alte Artaxerxes Ochos Großkönig war, hat er an
einem Feldzug gegen die Kadusier teilgenommen.“ Als Alexander ihn fragend
ansah, erklärte er: „Ein wildes Volk am Kaspischen Meer. Sind für die Perser wohl
das Gleiche wie die Illyrer für uns. Ihr Anführer, angeblich eine Art Riese,
forderte die Großen des persischen Heeres zum Zweikampf heraus, doch keiner
besaß den Mut, die Herausforderung anzunehmen, außer Dareios, oder Kodomannos,
wie er damals noch hieß. Er tötete den Kadusier und stellte damit die persische
Ehre wieder her. Zur Belohnung wurde er zum Satrapen von Armenien befördert.“
„Hört sich an, als ob dieser Dareios aus härterem Holz geschnitzt
ist als der unglückliche Arses.“
„Das musste auch Bagoas feststellen. Also versuchte er, ihn
gleich wieder loszuwerden, indem er ihm einen Becher mit vergiftetem Wein servieren
ließ. Dareios bestand darauf, dass Bagoas ihn selbst trank.“
„Allerhand“, meinte Alexander anerkennend. „Wahrscheinlich
war Bagoas klar, dass das Gift die angenehmere Alternative war. Die Perser sind
nicht eben zimperlich, wenn es um die Bestrafung von Königsmördern geht.“
Ein Raunen ging durch die Menge. Kleopatra, oder Eurydika,
wie sie sich jetzt nannte, war erschienen und schritt nach allen Seiten
huldvoll grüßend durch die Menge. Sie war inzwischen hochschwanger und führte
die kleine Thessalonika an der Hand, ganz treusorgende Gemahlin des Königs.
Alexander wandte sich wieder Antipatros zu. „Auf jeden Fall
scheint bei den Persern ein frischer Wind zu wehen. Pech für uns, dass das
ausgerechnet jetzt sein muss.“
Trompetengeschmetter kündigte das Eintreffen des Königs an,
und alle Anwesenden nahmen ihre Plätze ein. Alexander wusste nicht, welchen
Platz Chares für ihn vorgesehen hatte, doch es war ihm auch egal. Zielstrebig
steuerte er den Platz zur Rechten des Throns an. Aristandros, als oberster
Zeichendeuter einer der Hauptakteure des Anlasses, rückte ein wenig zur Seite,
um Platz für ihn zu schaffen, und Alexander dankte ihm mit einem Blick.
Eine Abteilung Pezhetairen eskortierte Philipp in den Saal
und nahm Aufstellung hinter dem Thron. Pausanias war unter ihnen, und wieder beschlich
Alexander ein ungutes Gefühl. Der König nahm Platz, und der Herold trat vor,
gefolgt von den Gesandten aus Delphi. Während der einleitenden Phrasen und Floskeln
sah Alexander zu den Frauen hinüber. Kleopatra hatte sich einen Stuhl bringen
lassen, vielleicht wegen ihrer Schwangerschaft, doch sie schien darauf zu
thronen wie eine Königin inmitten ihres Gefolges. Die anderen Damen wirkten
verärgert. Plötzlich fand Alexander es schade, dass seine Mutter nicht hier
war. Sie hätte Kleopatra Paroli geboten.
Der Herold und die Gesandten hatten ihre feierlichen
Ansprachen beendet, und der Abgesandte des Orakels trat vor, ein Priester mit
gepflegtem Bart und einem mit Lorbeer geschmückten Stab. Er klopfte dreimal mit
ihm auf den Boden. Erwartungsvolle Stille trat ein.
„Vernimm den Spruch des Gottes aus meinem Munde“,
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