Eine Krone für Alexander (German Edition)
Philipps Tod.“
Alexander blickte auf die
Schriftrolle. Amyntor hatte sie natürlich bereits geöffnet, um sich von der
Dringlichkeit des Inhalts zu überzeugen. Antipatros starrte ebenfalls darauf,
es juckte ihn sichtlich in den Fingern, doch er konnte das Schreiben seinem
König schlecht unter der Nase wegschnappen. Alexander spürte bereits die
Wirkung des Weins. Eigentlich fühlte er sich nicht mehr in der Verfassung für
schlechte Nachrichten, doch wenn Amyntor um diese Zeit noch damit erschien,
dann weil es wichtig war. Alexander machte eine Handbewegung, und sofort
sprangen alle Gäste in Hörweite auf und verschwanden, bis nur er selbst,
Antipatros und Amyntor übrig waren.
„Gib mir einen kurzen Überblick“, sagte er zu Letzerem.
„Leider sind es keine guten Nachrichten. Demetrios
berichtet, in Athen herrsche Feststimmung, die Leute feiern und tanzen auf den
Straßen. Als die Nachricht von der Ermordung deines Vaters eintraf, beschloss
die Volksversammlung noch am selben Tag, den Göttern ein offizielles Dankopfer
darzubringen.“ Amyntor zögerte einen Augenblick. „Es tut mir leid, dir das
sagen zu müssen, aber sie haben außerdem beschlossen, Pausanias postum mit
einem Kranz zu ehren.“
„Anstand und Takt gehörten noch nie zu den starken Seiten
der Athener“, bemerkte Antipatros.
Alexander sah starr geradeaus. „Demosthenes?“
„Demetrios schreibt, dass der Redner eigentlich in Trauer
ist um seine Tochter, die vor Kurzem gestorben ist. Als Philipps Tod gemeldet
wurde, legte er die Trauerkleidung ab und zeigte sich festlich gekleidet in der
Öffentlichkeit. Doch da ist etwas, was zu denken gibt: Eines Morgens in der
Ratsversammlung erklärte Demosthenes, er habe in der Nacht geträumt, den Athenern
stehe an diesem Tag eine freudige Überraschung bevor. Wenig später traf die
Botschaft von Philipps Tod ein.“
Ruckartig beugte Alexander sich vor. „Gibt es noch andere
Hinweise, dass Demosthenes in den Anschlag auf meinen Vater eingeweiht gewesen
sein könnte?“
„Zumindest erwähnt Demetrios nichts, was darauf hindeutet.“
„Trotzdem, es kann kein Zufall sein, dass Demosthenes früher
als alle anderen Bescheid wusste.“
Antipatros warf ein: „Vielleicht verfügt er einfach nur über
effizientere Nachrichtenverbindungen.“
„Oder über effizientere Geheimhaltungsmethoden.“
„Es spricht mehr dafür, dass die Perser hinter dem Attentat
stecken“, entgegnete Antipatros. „Arrhabaios und Heromenes haben nachweislich
Gold von ihnen erhalten.“
Das zumindest war die offizielle Lesart. Doch es war durchaus
nicht zweifelsfrei erwiesen, dass die beiden Lynkesten die Hintermänner der Tat
gewesen waren, und zufällig wusste niemand das besser als Alexander und
Antipatros.
Alexander sagte: „Wenn Demosthenes so früh von den Anschlag
wusste, dann entweder weil er mit den Persern in Verbindung steht – oder weil
er ihn selbst in Auftrag gegeben hat.“
„Immerhin dürfte eins jetzt klar sein“, setzte Amyntor den
Spekulationen ein Ende. „Die Athener werden dich auf keinen Fall als Hegemon anerkennen.“
Antipatros seufzte. „Dann hängt jetzt alles von den Thebanern
ab. Wollen wir hoffen, dass sie besonnener reagieren. Immerhin wurde ihre
jetzige Regierung noch von Philipp eingesetzt.“
2
Alexander, der König der Molosser, war im Begriff, mit
seiner frisch angetrauten Frau nach Dodona zurückzukehren. Am Morgen ihrer
Abreise bat Kleopatra ihren Bruder noch einmal zu sich – um sich von ihm zu
verabschieden, wie Alexander annahm. Seine Schwester empfing ihn in ihren
Gemächern, flankiert von zwei verschleierten Dienerinnen. Ihr Gesicht war so
angespannt, dass ihm ein Schrecken in die Glieder fuhr.
„Was ist los?“, rief er. „Ist etwas vorgefallen?“
Sie schwieg, ihre Augen starrten an ihm vorbei, und um ihren
Mund lag ein verbitterter Zug, den er in letzter Zeit nur zu gut an ihr kannte.
Er stürmte auf sie zu und packte sie bei den Schultern, als er aus dem
Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Eine der beiden Dienerinnen hatte ihren
Schleier zurückgeschlagen. Alexander ließ seine Schwester los, als habe sie
sich von einem Augenblick zum anderen in Luft verwandelt.
„Damit habe ich meine Pflicht wohl erfüllt“, sagte
Kleopatra. Sie ging um Alexander herum und verließ den Raum, zusammen mit der
anderen Dienerin.
Olympias schob den Umhang von ihren Schultern und ließ ihn
achtlos zu Boden gleiten. Darunter trug sie einen einfachen Chiton und
keinerlei
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