Eine Krone für Alexander (German Edition)
neben den Pferden
her.
Sie folgten einem steinigen Bachlauf, als Amyntas sich räusperte.
„Also, worum geht es?“ Als Alexander nicht gleich antwortete, setzte er hinzu:
„Du hast mich doch sicher nicht so überstürzt auf diese unergiebige kleine
Jagdpartie geschleppt, weil die Palastküche dringend Nachschub braucht, oder?
Wenn du etwas von mir willst, dann spuck es aus.“
„Es geht um das Orakel des Trophonios.“
„Trophonios?“, fragte Amyntas verblüfft.
„Du warst doch dort, oder?“ Alexander musterte seinen Cousin
von der Seite. Täuschte er sich, oder lag Anspannung in Amyntas’ Stimme? „Hast
du das Orakel befragt?“
Nach einigem Zögern nickte Amyntas mit zusammengepressten
Lippen. Er wirkte nun unübersehbar gestresst.
Alexander beschloss, die Sache direkt anzugehen. Er hielt Bukephalos
an und sah Amyntas ins Gesicht. „Kannst du mir die Sache mit der Inschrift
erklären?“
Amyntas hatte sein Pferd ebenfalls gezügelt. „Welche Inschrift?“
„Die, die deinen Besuch in Lebadeia dokumentiert.“
„Ich wusste gar nicht, dass es da eine Inschrift gibt. Was
ist damit?“ Amyntas wirkte nun weniger angespannt als vielmehr verwirrt.
„Sie lautet: Amyntas, Sohn des Perdikkas, König der
Makedonen.“
Amyntas starrte Alexander entgeistert an, dann entspannte
sich sein Gesicht schlagartig, und er brach in Gelächter aus. „Das ist also das
Problem: diese Inschrift?“ Er wirkte geradezu erleichtert.
Ruhig sagte Alexander: „Ich würde gern wissen, wieso du dich
in Lebadeia als König der Makedonen ausgegeben hast. Kannst du mir eine Erklärung
dafür geben?“
Amyntas wurde wieder ernst. „Ich fürchte, das kann ich
nicht. Wie ich schon sagte, ich wusste gar nicht, dass es diese Inschrift
überhaupt gibt. Geschweige denn dass ich sagen kann, wie die Leute in Lebadeia
dazu kamen, mich als König der Makedonen zu titulieren.“ Nachdenklich rieb er
sich mit der Hand über sein Kinn, das von einem kurz geschorenen, dunklen Bart
bedeckt war. Tatsächlich sah Amyntas Philipp viel ähnlicher als Alexander.
„Aber wenn du denkst, dass die Inschrift von ruchlosen Ambitionen meinerseits
zeugt, dann kann ich dich beruhigen.“
„Tatsächlich?“ Peritas war auf einen der Felsblöcke im Bach
gesprungen und sah nun mit gespitzten Ohren und aufgeregt wedelndem Schwanz ins
Wasser, wo er offenbar etwas Interessantes entdeckt hatte.
„Ich war in Lebadeia kurz nach der Schlacht von Chaironeia“,
erläuterte Amyntas. „Wie du weißt, hat mich dein Vater damals als Gesandten in
verschiedene boiotische Städte geschickt.“
Alexander erinnerte sich in der Tat. Er hatte sich über den
prestigeträchtigen Auftrag für Amyntas geärgert – bis er selbst als Gesandter
nach Athen gegangen war.
„Ich stellte mich überall korrekt vor als Amyntas, Sohn des
Perdikkas, und erklärte, ich komme im Auftrag meines Onkels Philipp, des Königs
der Makedonen. Die Leute in Lebadeia müssen da etwas durcheinandergebracht
haben. Aber wie auch immer: Das Malheur kann nur damals passiert sein. Es ist
ein Missverständnis. Schick einen Boten nach Lebadeia und erkundige dich.“
Alexander erwiderte nichts. Er dirigierte Bukephalos wieder
in Wegrichtung und setzte sich in Bewegung.
Amyntas folgte ihm. „Philipp hätte sich totgelacht, wenn er
davon erfahren hätte. Er hielt die Boiotier immer für ein wenig
unterbelichtet.“ Seine Stimme hörte sich nun wieder unsicher an. Offenbar kam
ihm erst jetzt allmählich die Tragweite der Angelegenheit zu Bewusstsein.
Sie ritten eine Zeit lang schweigend nebeneinander her. Peritas
sah ihnen nach, dann riss er sich schweren Herzens von dem Anblick, der ihn
gefesselt hatte, los und kam hinterher. Nach einiger Zeit fragte Alexander: „Du
hast das Orakel befragt?“
„Da ich schon einmal dort war, habe ich das getan. Aber
nicht weil ich irgendwelche Umsturzpläne hegte, falls du das annehmen
solltest“, beteuerte Amyntas schnell. „Es ging um etwas Privates.“
„Wie ist das, wenn man das Orakel befragt?“
„Du möchtest die Einzelheiten wissen?“ Alexander nickte, und
Amyntas berichtete: „Es beginnt damit, dass man mehrere Tage im Heiligtum verbringt.
Die üblichen Reinigungsrituale, du weißt schon, Waschungen, Opfer, spezielle
Ernährung und so weiter. In der Nacht, in der man das Orakel befragt, opfert
man einen Widder, und wenn die Vorzeichen günstig ausfallen, wird man im Fluss
gebadet, mit Öl gesalbt und den Berg hinaufgeführt. Dann muss man aus
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