Eine Krone für Alexander (German Edition)
deinem Mann einen Brief
geschickt, in dem die Rede davon ist, mich zu ermorden. Parmenion hat ihn
abgefangen und an mich weitergeleitet.“
Schlagartig wurde Kynnana der Ernst der Lage klar. Sie wurde
blass, dann runzelte sie die Stirn und dachte nach. Geistesabwesend ließ sie
sich doch noch herbei, auf einem der Stühle Platz zu nehmen. Erleichtert tat
Alexander dasselbe.
„Dieser Idiot!“, fauchte sie, und er fragte sich, welchen
Amyntas sie meinte. „Ich fand schon immer, dass dieser schmierige Kerl nur
Schwierigkeiten macht. Aber glaube mir, das Gespräch in Oropos war völlig
harmlos, zumindest von der Seite meines Mannes aus.“
„Du wusstest davon?“
„Erst im Nachhinein. Amyntas war selbst überrascht, als sein
Freund plötzlich dort auftauchte. Er hat mit ihm nur um ihrer alten
Freundschaft willen gesprochen, er hoffte, ihn zur Vernunft bringen zu können.“
Kynnana dachte weiter nach. „Ich weiß nicht, was in dem Brief steht, von dem du
sprichst, oder ob er überhaupt echt ist. Vielleicht hat Parmenion ihn gefälscht,
um sich bei dir einzuschleimen, nachdem ihm klar geworden war, dass er mit
Attalos auf das falsche Pferd gesetzt hat …“
„Das ist absurd.“
Ein Fehlschlag. Kynnana wechselte die Taktik. „Niemand kann
für Briefe verantwortlich gemacht werden, die ihm andere ungebeten schicken.
Hätte das Schreiben Amyntas erreicht, hätte er es dir selbstverständlich sofort
übergeben. Er ist dir treu ergeben und nicht an der Königswürde interessiert.“
„Warum ist er dann nach Vaters Tod in der Heeresversammlung
gegen mich angetreten?“
„Ich habe versucht, es ihm auszureden. Ich wünschte nur, ich
wäre damals nicht so begriffsstutzig gewesen.“
„Was meinst du damit?“
„Nichts, was dich etwas angehen würde“, erwiderte sie abweisend.
„Aber sei doch einmal ehrlich: Ist es nicht nur zu verständlich, dass Amyntas
versucht hat, für sein Recht zu kämpfen? Sollte er sich denn sein ganzes Leben
lang Vorwürfe machen, es nicht wenigstens versucht zu haben? Du hättest an
seiner Stelle dasselbe getan. Kannst du kein Verständnis für ihn aufbringen?“
Als Alexander schwieg, fuhr sie fort: „Oder ist genau das das Problem? Dass du
zu viel Verständnis hast? Du an seiner Stelle würdest dich nicht mit seiner
Situation abfinden – niemals. Aber du solltest Amyntas nicht deine eigenen
Motive unterstellen.“
„Das tue ich nicht“, beteuerte Alexander, aber ihm war unbehaglich
dabei. Im Grunde wusste er, dass an dem, was seine Schwester soeben gesagt
hatte, etwas dran war.
Sie schien zu spüren, dass sie einen wunden Punkt berührt
hatte, aber auch, dass weiteres Bohren ihn nur gegen sie aufbringen würde.
„Entscheidend ist doch, dass Amyntas dir heute treu ergeben ist. Er ist dein
nächster männlicher Verwandter, wenn man von Arrhidaios einmal absieht. Ein
König braucht aber Verwandte, auf die er sich stützen kann. Wer soll ihm folgen,
wenn nicht seine eigene Familie? So ist es in Makedonien seit Alters Brauch
gewesen, bevor unsere Familie anfing, sich selbst auszurotten. Auf wen willst
du dich stützen, wenn du Amyntas umgebracht hast? Auf Leute wie Antipatros oder
Parmenion?“
„Kynnana“, sagte Alexander langsam und holte tief Luft.
„Wenn wir in einer besseren Welt leben würden, hättest du recht. Aber wir leben
in unserer eigenen Welt, und die ist nicht gut. Vielleicht war es früher
wirklich so, dass der König sich auf seine Verwandten stützen konnte, aber
heute ist es das nicht mehr. Im Gegenteil, Amyntas wird immer eine Bedrohung
für mich sein. Jeder, der mich loswerden will – die Perser, Demosthenes, Unzufriedene
in Makedonien und Griechenland –, jeder wird in Amyntas eine verführerische
Alternative zu mir sehen, und zwar unabhängig davon, ob er einverstanden ist
oder nicht. Ich weiß nicht, ob er in diesem besonderen Fall schuldig ist oder
nicht. Das wird die Heeresversammlung entscheiden. Morgen wird er Gelegenheit
haben, sie von seiner Unschuld zu überzeugen.“
„Du und ich, wir wissen beide, dass er keine Chance hat“, erwiderte
Kynnana bitter. „Sobald er vor die Versammlung tritt, ist er so gut wie tot.
Die Leichtgläubigen werden die Verleumdungen glauben, und die Schlauen werden
wissen, dass du ihn fürchtest, und ihn gerade deshalb verurteilen. Bringst du
es über dich, ihn in den Tod zu schicken, ohne überzeugt zu sein, dass er auch
wirklich schuldig ist?“
Kynnana erhob sich und streckte ihre Arme aus, in der
uralten
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