Eine Krone für Alexander (German Edition)
Geste derer, die vor den Bildern der Götter flehten. Alexander wand
sich innerlich, denn er wusste, sie würde nun zu ihrer letzten Waffe greifen,
der mächtigsten, die sie hatte, und zugleich der schmerzhaftesten.
„Ich bitte dich darum, ihm diese Anklage zu ersparen! Wenn
nicht um seinet- oder deinetwillen, dann für mich. Ich bin deine Schwester. Ich
weiß, wir standen einander nie sehr nahe, aber als Kinder sind wir gut miteinander
ausgekommen. Und wenn du es nicht für mich tun willst, dann tu es für meine
kleine Tochter.“ Sie sank in die Knie, die Hände immer noch ausgestreckt. „Ich
bitte dich bei allem, was dir heilig ist: Nimm meinem Kind nicht seinen Vater!“
Alexander war sofort aufgesprungen und hatte sich neben sie
gekniet. Er ergriff ihre ausgestreckten Hände. „Glaub mir, ich würde nur zu
gern auf dich hören, aber ich kann es nicht. Amyntas ist eine Bedrohung für
mich, solange er lebt. Entweder er oder ich. Ich habe keine andere Wahl.“
Kynnana war schon immer eine Kämpfernatur gewesen, und gute
Kämpfer wissen, wann sie verloren haben. Sie setzte sich zurück auf die Fersen
und entzog ihm ihre Hände. Einen Moment noch sah sie ihm in die Augen, dann
wandte sie den Blick ab. Sie stand auf und ordnete ihren Schleier.
Alexander erhob sich ebenfalls.
„Man hat immer eine Wahl“, sagte Kynnana, als sie zur Tür
ging. „Das ist ein Geschenk der Götter an die Menschen.“
Die schwere, eisenbeschlagene Tür kreischte in den Angeln,
als der Kerkermeister aufschloss. Alexander zog seinen Mantel enger um sich,
ergriff den Henkel seiner Lampe und bückte sich unter dem niedrigen Sturz
hindurch. Drinnen war es dunkel, wenn auch nicht so dunkel, wie er erwartet
hatte. Eine Lampe aus durchbrochener Bronze stand auf den steinernen
Bodenfliesen und tauchte die Zelle in ein gespenstisches Licht. Sie befand sich
im untersten Geschoss der Festung auf Phakos. Die Insel im Sumpf wurde nicht
nur als Schatzamt genutzt, sondern bei Bedarf auch als Staatsgefängnis.
Amyntas saß mit angezogenen Beinen auf seiner Pritsche, mit
dem Rücken an die Wand gelehnt, einen Becher in der Rechten, den dazugehörigen
Weinkrug neben sich. In der anderen Hand hielt er eine Schreibtafel, vermutlich
mit Notizen für die Verteidigungsrede, die er morgen halten würde. Er hob den
Kopf, als sein Besucher eintrat.
Alexander richtete sich wieder auf und schlug den Mantelsaum
zurück, der seinen Kopf verhüllt hatte, sodass Amyntas seinen Besucher erkennen
konnte. Eine Zeit lang sahen sie einander schweigend an. Amyntas wirkte nicht
wie jemand, der den Tod vor Augen hatte. Seine Haltung war ruhig und entspannt,
wie die eines Soldaten, der von seinen Vorgesetzten in die Ausnüchterungszelle
gesteckt worden war und nun seine Zeit absaß, bis man ihn wieder herausließ.
Seine Züge waren so ausdruckslos und schwer zu deuten, wie sie es in all den
Jahren nahezu immer gewesen waren. Die einzige Regung darin war ein leichtes
Zucken der linken Augenbraue, das eine Frage zu signalisieren schien.
Schließlich sagte Alexander: „Ich bin gekommen, weil ich
dich etwas fragen möchte.“
„Würde meine Antwort einen Unterschied machen?“
„Nein. Du wirst morgen auf jeden Fall angeklagt, und ich
könnte es verstehen, wenn du nicht mit mir reden willst.“
Amyntas stellte den Becher ab und klappte die Schreibtafel
zu. „Was willst du wissen?“
„Sag mir die Wahrheit: Bist du in die Verschwörung verwickelt?“
Amyntas sah Alexander weiter unverwandt an. Als er sich
schon fast damit abgefunden hatte, keine Antwort zu erhalten, löste Amyntas
sich mit einem Ruck von der Wand, rutschte nach vorn und stellte die Füße auf
den Boden. Einladend wies er neben sich auf die Pritsche, und nach kurzem
Zögern setzte Alexander sich zu ihm. Seine Lampe stellte er auf den Boden zu
der anderen.
Amyntas nahm den Weinkrug. „Auch was?“ Als Alexander nickte,
goss er ein und reichte ihm den Becher. Alexander nahm einen Schluck, dann gab
er den Becher an Amyntas zurück, der ebenfalls trank. So saßen sie eine Zeit
lang schweigend nebeneinander, tranken abwechselnd und blickten in den Schein
der einträchtig beieinanderstehenden Lampen.
Schließlich sagte Amyntas „Ich habe nichts damit zu tun.“
Und nach einer Pause: „Ich wusste nicht, dass mein Freund mit den Persern in
Verbindung stand. Als ich mich mit ihm in Oropos traf, tat er es wohl noch
nicht.“
„Worüber habt ihr gesprochen?“
„Er wollte mich überreden, für mein
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