Eine Krone für Alexander (German Edition)
geladen hatte. Ihr Fanatismus und ihre wüsten Ausfälle gegen Antipatros
stießen ihn ab, und doch berührte das, was sie gesagt hatte, etwas tief in
seinem Inneren. Sein Vater war vor seinen Augen ermordet worden. Und doch … Er
sah auf seine Hand und auf den Ring daran. Ich wünschte, ich hätte nie davon
erfahren, dachte er, dann bliebe mir jetzt diese Entscheidung erspart.
„Was rätst du mir?“, wandte er sich an Antipatros, und er
konnte sehen, wie Olympias zusammenzuckte. „Was soll ich tun?“
Antipatros sagte, wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem
Leben: „Ich weiß es nicht.“ Und dann nach einer Pause: „Amyntas ist eine Gefahr
für dich, aber Aristoteles hat recht, er könnte auch eine große Stütze sein.“
„Glaubst du, dass er schuldig ist?“
„In der Heeresversammlung hat er zweierlei bewiesen: dass er
ein ehrenhafter Mensch ist und dass er nicht um jeden Preis nach der Macht
strebt. Nein, ich glaube nicht, dass er schuldig ist. Aber es ist dein Leben,
das auf dem Spiel steht. Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst.“
Wieder wurde es still im Raum, so still, dass nur das
Pfeifen des Windes draußen in der Säulenhalle zu hören war. Schließlich sagte
Alexander zu Antipatros: „Lass Amyntas festnehmen und bereite die Anklage vor.
Vielleicht gelingt es ihm, sich überzeugend zu verteidigen. Die Entscheidung
liegt bei der Heeresversammlung.“
So leise, dass die anderen es nicht hören konnten, sagte Aristoteles:
„Sieht so aus, als ob du wieder einmal einen Preis zu zahlen hast.“
„Es ist nicht das erste Mal“, erwiderte Alexander ebenso
leise, „und ich fürchte, es wird auch nicht das letzte sein.“
„Die Heeresversammlung wird also entscheiden“, sagte
Olympias mit brüchiger Stimme. Sie stand auf und zog ihren Schleier zurecht.
„Immerhin besteht sie aus Männern mit naturgegebener Urteilsfähigkeit und
Tatkraft. Ich gehe nun, um mich weiblichen Aufgaben zu widmen. Kleopatra hat
mir geschrieben. Sie ist schwanger und braucht eine Babyausstattung.“
Als sie gegangen war, kam es Alexander vor, als sei es
wärmer im Raum geworden. Doch er wusste, dass das eine Täuschung war.
„Du weißt, dass Amyntas unschuldig ist“, sagte Kynnana.
Ihr Mann war am Morgen festgenommen worden, um am folgenden
Tag vor der Heeresversammlung angeklagt zu werden. Alexander hatte mit
Antipatros und anderen Vertrauten den Rest des Tages die weitere Vorgehensweise
abgesprochen, sie hatten Rollen verteilt und Reden konzipiert, und Eumenes
hatte alles aufgeschrieben. Es war bereits spät am Abend, als Alexander sich
endlich in seine Räume zurückziehen konnte. Vor der Tür hatte Kynnana auf ihn
gewartet, wahrscheinlich schon seit Stunden. Mit der für sie charakteristischen
Hartnäckigkeit war sie ihm in seine Räume gefolgt und hatte den Platz, den er
ihr angeboten hatte, abgelehnt. Wie ihre Mutter war sie eine hochgewachsene
Frau, ein Stück größer als er selbst. Von ihrer Höhe herab starrte sie ihn
feindselig an.
„Was wirft man ihm eigentlich vor? Geht es etwa wieder um
diese alberne Inschrift in Lebadeia? Amyntas hat dir doch erklärt, was es damit
auf sich hat.“
Alexander machte eine ungeduldige Handbewegung. „Wir haben
andere Beweise gegen ihn.“
„Ihr könnt keine Beweise haben“, beharrte Kynnana eigensinnig,
„weil es keine gibt. Amyntas ist unschuldig! Sollte es tatsächlich eine Verschwörung
geben, dann hat er nichts mit ihr zu tun. Als seine Frau fordere ich Auskunft,
was man ihm vorwirft, und ich verlange …“
„Es ist nicht nötig, so herumzuschreien“, schnitt Alexander
ihr das Wort ab. „Amyntas wird morgen vor der Heeresversammlung Gelegenheit bekommen,
sich zu verteidigen. Das ist sein gutes Recht.“
„Dann sag mir, was man ihm zur Last legt.“ Kämpferisch verschränkte
sie die Arme vor der Brust, eine Geste, die ihn an Olympias erinnerte, obwohl
Kynnana sonst absolut nichts mit seiner Mutter gemein hatte. „Oder hast du
Angst, dass ich eure sogenannten Beweise auseinanderpflücke?“
Kynnana machte aus allem einen Kampf, das war schon immer so
gewesen. Alexander beschloss, ihre Herausforderung anzunehmen. „Wir wissen,
dass er sich im Herbst mit seinem Freund Amyntas, Sohn des Antiochos, getroffen
hat, in der boiotischen Stadt Oropos.“
Sie schob die Unterlippe vor. „Und wenn schon. Damals war er
noch nicht zu den Persern übergelaufen. Er war zwar dein Feind, aber noch kein
Verräter.“
„Jetzt ist er es aber, und er hat
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