Eine Krone für Alexander (German Edition)
Gesandtschaft wieder ab, um das Ergebnis ihren Mitbürgern in der
Volksversammlung vorzulegen. Stimmten sie zu, würden die Gesandten noch einmal
nach Pella kommen, um den Friedensvertrag in aller Form zu besiegeln. Die
Zwischenzeit nutzte der König zu einem Blitzfeldzug in Thrakien.
Philiskos beurteilte die Chancen, dass die Athener den
Vertrag billigten, eher pessimistisch. „Demosthenes war von Anfang an gegen den
Frieden, aber jetzt, nachdem er sich derart blamiert hat, wird er sicher nichts
unversucht lassen, um bei seinen Mitbürgern dagegen Stimmung zu machen. Und die
Athener werden ihm auf den Leim gehen. Für sie ist Philipp ein Barbar, der nur
darauf wartet, Griechenland mit seinen Barbarenhorden zu überfallen und den
Untergang der Zivilisation zu verursachen.“
„Barbarenhorden?“, fragte Alexander verblüfft. „Wieso halten
die Athener uns für Barbaren?“
Offenbar hatte sich Philiskos verplappert. Die Angelegenheit
schien ihm peinlich zu sein, nur widerwillig rückte er mit der Sprache heraus.
„Ich fürchte, die Athener sind nicht die Einzigen, die die Makedonen als
Barbaren betrachten. Als einer deiner Vorfahren, König Alexander der Griechenfreund,
in Olympia beim Wettlauf antreten wollte, wollten ihn die Schiedsrichter zuerst
nicht zulassen. Du weißt ja, an den Spielen dürfen ausschließlich Griechen
teilnehmen. Alexander durfte schließlich doch noch an den Start gehen, aber
nur, weil er behauptete, seine Vorfahren seien Griechen gewesen – sie seien
ursprünglich aus dem Süden nach Makedonien gekommen.“
„Letzteres stimmt ja auch, aber wieso spielte das eine
Rolle? Wir Makedonen sind doch auch Griechen.“
„In Griechenland sind viele anderer Meinung.“
„Aber wir sprechen Griechisch!“
„Am Hof vielleicht, doch die einfachen Leute hören sich für
griechische Ohren ziemlich seltsam an.“
„Ich weiß“, sagte Alexander, der mit dem alten Dialekt seines
Volkes ebenso vertraut war wie mit der Sprache, die er aus seinen Büchern
kannte und die auch am Hof gesprochen wurde. „Makedonisch klingt für die
Griechen aus dem Süden vielleicht komisch, aber wenn du genau hinhörst, kannst
du es verstehen.“
„Möglicherweise“, meinte Philiskos verlegen. „Aber es geht
nicht nur um die Sprache. Um ehrlich zu sein, war dein Volk bis vor gar nicht
so langer Zeit noch ziemlich, tja, rückständig. Die meisten Menschen waren arme
Hirten und Bauern, die sich oft noch in Tierfelle kleideten. In den Augen der
Griechen hatten sie mehr Ähnlichkeit mit den Illyrern oder den Thrakern als mit
ihnen selbst.“
„Aber das hat sich inzwischen doch geändert. Oder hast du
hier in letzter Zeit jemanden in Tierfellen herumlaufen sehen? Warum halten die
im Süden uns dann immer noch für Barbaren?“
„Weil es in Makedonien noch vieles gibt, was den übrigen
Griechen seltsam vorkommt. Zum Beispiel haben ihre Stadtstaaten heute mehr oder
weniger demokratische Regierungen, aber in Makedonien herrscht immer noch ein
König. Das ist sonst nur bei barbarischen Völkern der Fall. In Griechenland
dagegen gibt es seit der mythischen Zeit keine Könige mehr.“
„In Epeiros schon, und in Sparta auch.“
„Die spartanischen Könige haben nur noch zeremonielle und
militärische Funktion. Und die Epeiroten werden von vielen Griechen ebenfalls
für Barbaren gehalten. Außerdem sind sie so unbedeutend, dass den meisten gar
nicht bewusst ist, dass es sie überhaupt gibt.“
So viel zu Olympias’ Behauptungen, die Molosser seien die vornehmsten
Griechen von allen.
13
Als der König (wie üblich siegreich) aus Thrakien
zurückkehrte, waren auch die Gesandten wieder da. Die Bürger von Athen hatten
dem Friedensvertrag ihren Segen gegeben, vor allem auf Betreiben eines gewissen
Philokrates, doch auch Aischines und zur allgemeinen Überraschung sogar Demosthenes
selbst hatten sich dafür ausgesprochen.
Mittlerweile hatten sich noch mehr Gesandtschaften in Pella
eingefunden, aus Thessalien und Theben, aus Sparta und vielen anderen Staaten
Griechenlands. In der Stadt und im Palast wimmelte es von Fremden. Ständig
fanden Konferenzen und Feste, Verhandlungen und Debatten statt. Mitten in all
dem Trubel brach Philipp plötzlich nach Süden auf, um die thessalische Stadt
Halos zu belagern. Den Gesandtschaften, die immer noch darauf warteten, den
Friedensvertrag zu besiegeln, blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen,
und so waren alle so schnell verschwunden, wie sie gekommen waren.
Nicht lange
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