Eine Krone für Alexander (German Edition)
in die Hand, sehr zur Belustigung der Zuschauer. Das
Opfer der unerwarteten Attacke jaulte vor Schmerz und versuchte, das Mädchen abzuschütteln.
Als das nichts nützte, versetzte der Mann ihm einen Schlag. Die Mutter stürzte
sich auf ihn. Er stieß sie in den Staub und holte mit der geballten Faust aus.
„Aufhören!“, rief Alexander, und die Zuschauer, die eben
noch gelacht hatten, wurden still.
Der Anführer der Thraker trat vor. „Offizier sagt, wir
dürfen Frau nicht töten“, erklärte er in gebrochenem Griechisch. „Aber Frau Tod
verdient. Wir kommen zu König, um Erlaubnis zu holen.“
„Was hat sie getan?“, fragte Alexander.
„Frau hat Anführer von uns umgebracht.“
„Die?“ Medios lachte geringschätzig. „So gefährlich sieht
die gar nicht aus. Wie hat sie es geschafft, einen schwer bewaffneten
thrakischen Krieger zu erledigen?“
Das fragte sich Alexander auch. Die Frau war schmal und
zerbrechlich, sie schien unter der Last ihrer Ketten fast zusammenzubrechen.
Auf den ersten Blick wirkte sie eher wie ein Mädchen, doch ein Blick in ihre
Augen zeigte ihm, dass sie nicht mehr jung sein konnte. Nicht mehr nach dem
heutigen Tag.
„Ihr seid die richtigen Helden“, brüllte jemand aus dem Hintergrund.
„Lasst euch von einer Frau überrumpeln.“
Alexander wandte sich an die Unbekannte. „Ist das wahr? Hast
du den Anführer dieser Männer getötet?“
Die Frau hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt. Ihre
Kinder liefen zu ihr und klammerten sich an sie, und sie legte beschützend die
Arme um sie. „Ja“, antwortete sie ruhig.
„Was ist passiert?“
Ihr Gesicht war geschwollen und verfärbt, Blut rann aus der
Nase. Arme und Schultern waren von Blutergüssen und Schrammen übersät. Das Haar
war irgendwann zu einem ordentlichen Knoten frisiert worden, doch nun hing es
ihr halb aufgelöst ins Gesicht. Sie strich es aus der Stirn, dann richtete sich
auf und ordnete notdürftig ihre zerrissenen Kleider, um einen Rest Würde zu
wahren. „Spielt das noch eine Rolle? Ich habe ihn getötet, und ich stehe dazu.
Ich weiß, dass ich sterben muss. Alles andere ist nicht von Belang.“
„Wie heißt du?“
„Auch mein Name ist nicht von Belang. Nicht mehr.“ Sie zögerte
einen Augenblick. „Timokleia“, sagte sie schließlich, und stolz fügte sie
hinzu: „Mein Bruder war Theagenes, der im Kampf für die Freiheit gefallen ist.“
Die Menge murmelte beeindruckt. Theagenes war der Befehlshaber der thebanischen
Truppen bei Chaironeia gewesen.
„Wie kam es, dass du den Anführer dieser Männer hier umgebracht
hast?“
Sie zuckte mit den Achseln. „Er drang mit den anderen in
mein Haus ein. Sie rafften alles an sich, was von Wert war. Den Rest zerschlugen
sie, Möbel, Geschirr, das Spielzeug der Kinder. Dann fiel der Mann über mich
her.“ Sie redete nicht weiter, doch das war auch nicht nötig; allen war klar,
was ihr zugestoßen sein musste: das Gleiche, was vermutlich die meisten Frauen
in der Stadt an diesem Tag erlitten hatten.
Alexander sagte nur: „Berichte weiter.“
Tonlos fuhr sie fort: „Als er fertig war, wollte er wissen,
wo ich mein Gold und Silber versteckt hätte. Ich sagte ihm, dass ich weder das
eine noch das andere besaß, doch er glaubte mir nicht und schlug mich wieder.
Dann drohte er, meine Kinder zu töten, wenn ich ihm nicht Gold gab. Da sagte
ich: Es ist im Garten.“ Ihr Blick wurde abwesend und in sich gekehrt, während
sie sich an das Geschehene erinnerte. „Er zerrte mich an den Haaren hinaus, und
ich zeigte auf den Brunnen. Dort habe ich mein Gold und Silber versteckt. Er
ging zum Brunnen und sah hinunter. Wo ist es? , fragte er, ich
sehe nichts. – Du musst dich tiefer hinabbeugen , sagte ich, dann siehst
du es. Als er sich über den Rand beugte, nahm ich alle meine Kräfte
zusammen und stieß ihn hinunter.“
Einer der Thraker ergänzte: „Wir hören Anführer schreien und
laufen in Garten. Sehen, Frau wirft Steine in Brunnen. Zerren Frau weg, aber zu
spät, Anführer schon tot.“
„Ich bereue nichts“, sagte Timokleia. „Er hatte es
verdient.“
Der Thraker erklärte: „Frau muss bestraft werden“, und seine
Kameraden brüllten zustimmend.
„Worauf wartet ihr noch?“, schrie sie ihn an. „Tötet mich,
es ist mir gleichgültig.“
Hoffnungsvoll blickte der Thraker zum König. „Kriegen Erlaubnis?“
Timokleia wandte sich an Alexander: „Ich habe mit dem Leben
abgeschlossen. Der Tod kann nicht so schlimm sein wie das, was ich
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