Eine Krone für Alexander (German Edition)
eigenen Mitbürger unter den Hufen ihrer
Pferde.
Alexander schwang sich wieder auf Bukephalos. „Zum Tor!“,
brüllte er. „Reitet, so schnell ihr könnt! Haltet euch nicht mit den
Flüchtenden auf! Wir müssen am Tor sein, ehe sie es schließen!“
Er jagte auf das Tor zu, machte sich nicht die Mühe, zu
sehen, wer ihm folgte. Er wusste, Kleitos’ Reiter würden bei ihm sein und
ebenso die Hypaspisten, sofern sie mit ihnen Schritt halten konnten. Er jagte
auf das Tor zu, ignorierte die Thebaner, die er überholte, hielt immer nur auf
das Tor zu. Noch immer schoben sich Scharen von Thebanern hindurch, die
Verteidiger konnten die Flügel nicht schließen, solange sich so viele
Flüchtende zwischen den Pfosten drängten. Alexander erreichte das Tor, zusammen
mit Kleitos und anderen Reitern, und gemeinsam trieben sie ihre Pferde gegen
den Pulk von schreienden, vorwärtsdrängenden Menschen, hieben mit ihren Waffen
auf sie ein, erkämpften sich ihren Weg. Und dann, von einem Augenblick zum
andern, gab die Menge nach. Der Weg war frei. Reiter und Hypaspisten quollen
durch das Tor in die Stadt, überall lagen Tote, viele niedergetrampelt von den
eigenen Kameraden.
Alexander zügelte Bukephalos und sah, wie seine Truppen
durch das Tor brachen. Er wusste, was das bedeutete: Der Feind befand sich innerhalb
der Mauern, die Stadt war gefallen, alles andere war nur noch eine Frage der
Zeit.
„Zur Kadmeia“, schrie er und wies mit blutigem Schwert den
Weg, die Straße hinauf, die zum Elektra-Tor führte. Unterwegs wurde es leerer,
die meisten Verteidiger hatten diesen Teil der Stadt bereits aufgegeben. Jeden,
den sie trafen, machten sie nieder, ob er Widerstand leistete oder zu fliehen
versuchte. Bald tauchten die beiden Rundtürme des Elektra-Tores vor ihnen auf.
Quer über die Straße hatten die Thebaner eine Barrikade errichtet, um die
Kadmeia-Besatzung von der Stadt abzuschneiden. Die Abteilung thebanischer
Soldaten, die sie bewachte, wurden im Rücken gepackt und niedergemacht.
Dann öffnete sich mit lautem Knarren das wuchtige Fallgatter.
Geschrei erscholl von den Türmen des Tores und den Wehrgängen auf der Mauer –
die Verteidiger der Toranlage begrüßten ihre Befreier mit Jubelrufen. Alexander
ritt in den runden Innenhof, das Geklapper der Hufe auf dem Pflaster hallte von
den Mauern wieder. Auch das innere Tor war offen. Ein Mann stand schwer
bewaffnet zwischen den Pylonen. Sein Gesicht war wegen des Helms nicht zu
erkennen.
„Wird Zeit, dass ihr kommt“, erklärte er gelassen. „Wir dachten
schon, wir müssen in diesem Gemäuer verschimmeln.“
Kleitos schrie zurück: „Wir haben uns absichtlich Zeit gelassen.
Wir dachten, euch gefällt es hier.“
Der andere nahm den Helm ab – es war Philotas, der Festungskommandant,
ein Mann mit schiefer Nase und dunklen Brauen, die in eigenartigem Gegensatz zu
seinen hellblauen Augen standen. Alexander, den seit einiger Zeit keine
Meldungen mehr erreicht hatten, fragte ihn: „Hast du einen Überblick über die
Lage?“
„Natürlich, wir haben hier freien Blick nach allen Seiten. Unsere
Leute sind zuerst durch die Tore auf der Südseite eingedrungen. Inzwischen
kommen sie überall ungehindert über die Wälle, die von den Verteidigern fast
verlassen sind. Sie kämpfen sich durch die Straßen. Wir würden uns ihnen gern
anschließen, um uns bei den Thebanern zu revanchieren, solange es noch etwas
von ihnen gibt.“
„Dann los!“
In den Straßen tobte das Chaos. Überall waren Bewaffnete,
schreiend, rennend, die einen auf der Flucht, die anderen sie verfolgend,
wieder andere verzweifelt Widerstand leistend. Ein Trupp thebanischer Soldaten
hatte sich hinter einer aus Möbeln und Lastkarren errichteten Barrikade
verschanzt. Als sie erkannten, dass ihr Kampf aussichtslos war, brachen sie
schreiend aus der Deckung und stürzten sich mit Todesverachtung auf den Feind.
Schnell wurden sie niedergemacht bis auf den letzten Mann, hatten allenfalls
die Genugtuung, den einen oder anderen Feind mit in den Tod zu nehmen.
Alexander setzte über ihre Leichen hinweg, als ihn jemand
laut schreiend angriff. Der Mann hatte seinen Helm verloren, sein Gesicht war
blutverschmiert, und in seiner linken Schulter klaffte eine Wunde, wo ihn ein
Speer getroffen hatte. Er hatte keinen Schild mehr, der linke Arm musste praktisch
unbrauchbar sein, doch mit dem rechten schwang er einen zersplitterten Speer
und drang auf Alexander ein.
„Für die Freiheit!“, brüllte er.
Alexander
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