Eine Krone für Alexander (German Edition)
Alexander Kassandros an die
Kehle und riss ihn um. Gemeinsam landeten sie im Sand des Sportplatzes. Es
gelang Alexander, seinen Gegner in den Schwitzkasten zu nehmen, und er drückte
mit aller Kraft zu, die er aufbringen konnte. Die anderen standen ratlos um sie
herum und gafften, niemand traute sich einzugreifen. Kassandros lief allmählich
purpurfarben an und begann bedenklich zu keuchen.
„Alexander, ich glaube du bringst ihn um“, sagte Attalos
schließlich.
Alexander reagierte nicht. Kassandros röchelte weiter.
„Komm, übertreib nicht, lass ihn los.“
Alexander ließ sich nicht beirren.
Plötzlich packte ihn jemand fachmännisch unter den Achseln
und riss ihn nach hinten weg, und Kassandros gleich mit, weil Alexander nicht
losließ. Schließlich musste Balakros seinen Arm mit Gewalt vom Hals seines
Opfers wegbiegen. „Alexander, bist du verrückt geworden? Wolltest du ihn etwa
umbringen?“, dröhnte die Stimme des Trainers in seinen Ohren.
Alexander stand da, hochrot und keuchend, und erwiderte
nichts. Kassandros umzubringen, war tatsächlich genau das, was er vorgehabt
hatte.
Antipatros’ Sohn rieb sich den malträtierten Hals und krächzte:
„Er ist mir einfach an die Kehle gesprungen! Fast hätte er mich erwürgt! Er
denkt, weil er der Sohn des Königs ist, kann er sich alles erlauben.“
„Von wegen!“, brüllte Proteas. „Er hat ihn mal wieder provoziert.
Diesmal hat er seine Mutter beleidigt!“
Kassandros krächzte zurück: „Er ist verrückt, genau wie
seine Mutter! Und wie die Mänaden, die jeden Mann, der ihnen über den Weg
läuft, bei lebendigem Leib in Stücke reißen und das Fleisch hinunterschlingen.
So wie in dem Theaterstück, das wir gesehen haben.“
„Halt’s Maul, Kassandros!“,
schnappte Balakros. „Es ist eine Gemeinheit, die Mutter von jemandem zu
beleidigen und Lügen über sie zu verbreiten! Und du, Alexander, ich kann
verstehen, dass du wütend bist, aber wenn du dich prügeln willst, dann nicht in
meinem Unterricht! Und überhaupt: Du musst endlich lernen, dich besser zu
beherrschen. Zur Strafe werdet ihr beide bis zum Abend strafexerzieren! Die
anderen haben für heute frei.“
Als Balakros schließlich ein Einsehen hatte und die beiden
Sünder ziehen ließ, stromerte Alexander einige Zeit in den Gärten umher, zu
aufgewühlt, um nach Hause zu gehen, wo vermutlich Leonidas wartete, um ihn mit
Vorwürfen zu überschütten. Schließlich ging er zu Lanika. Sie nahm ihn mit in
ihre Küche und machte ihm eine Schale mit Linsenbrei warm. Während er aß, saß
sie still dabei und sah ihm mit sorgenvollem Gesicht zu. Da er nicht von sich
aus reden wollte, legte sie ihm schließlich den Arm um die Schultern, wie
früher, als er noch klein gewesen war.
„Du darfst dir das nicht zu Herzen nehmen, Alexander! Kassandros
ist ein Ekel. Proteas sagt, er ist neidisch auf dich, weil du beim Training
immer so gut abschneidest, im Gegensatz zu ihm selbst. Und weil du der Sohn des
Königs bist. Wahrscheinlich wäre Kassandros das gern selbst, und er würde tatsächlich von allen verlangen, ihn gewinnen zu lassen.“
Alexander schwieg eine Zeit lang. Dann sagte er leise: „Es
ist nicht nur wegen Kassandros. Ich weiß, dass auch andere Leute schlecht über
meine Mutter reden.“
„Die Leute reden viel. Hör einfach nicht hin!“
„Aber es geht um meine Mutter!“
Lanika zögerte und sah ihn forschend an. „Erinnerst du dich
noch an die Nacht, als du mit den Mänaden in den Wald gezogen bist?“
Er nickte stumm.
„An was erinnerst du dich?“
„An die Fackeln in der Dunkelheit. An die Musik. Die vielen
Frauen. Sie haben getanzt und immer wieder Euoi, Bakche gerufen.“
„Und? Hast du Frauen gesehen, die halb nackt und nur in
Tierfelle gehüllt herumgelaufen sind?“
„Nein.“
„Siehst du! Bei den Riten des Dionysos wird hauptsächlich getanzt
und gesungen. Und natürlich Wein getrunken, aber das ist dann auch schon alles.“
„Vielleicht habe ich damals nicht alles gesehen“, flüsterte
er.
Lanika seufzte. „Was meinst du denn? Wilde Orgien mit
fremden Männern? Das ist doch Unsinn. Bei den Gelagen, die die Männer
regelmäßig veranstalten, geht es mit Sicherheit schlimmer zu.“ Lanika war
inzwischen ziemlich wütend geworden. „Das ist wieder einmal typisch: Die Männer
amüsieren sich, so viel sie wollen, aber von uns Frauen verlangen sie, dass wir
zu Hause sitzen und uns langweilen. Die Dionysien sind fast die einzige
Gelegenheit im Jahr, wo wir
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