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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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trotzdem
getan, was seine Pflicht war.“
    „Ich glaube, ich verstehe.“ Aristarche lächelte. „Ein Held
ist also nicht unbedingt jemand, der stark ist und keine Furcht kennt. Sondern
jemand, der seine Furcht und Schwäche überwindet und seine Stärke für andere einsetzt.“
    „Nein, das ist kein Held, das ist ein normaler Mensch.“
    „Vielleicht ist der Unterschied zwischen normalen Menschen
und Helden gar nicht so groß? Vielleicht ist auch ein Held nur ein Mensch?
Vielleicht müssen auch normale Menschen manchmal wie Helden sein?“
    „Nein, da gibt es einen großen Unterschied.“ Langsam verlor
Alexander die Geduld. Aristarche wusste überhaupt nichts über Helden – wie
sollte sie auch? Sie war alt und eine Frau, wahrscheinlich hatte sie ihr ganzes
Leben im Heiligtum der Kabiren verbracht, zurückgezogen von der Welt.
    „Alexander, weißt du, dass Herakles seine Kinder getötet
hat?“, fragte sie plötzlich.
    Alexander zuckte zusammen. Er hatte versucht, die Geschichte,
die ihm seine Mutter vor Jahren erzählt hatte, zu vergessen. Auch jetzt wollte
er nicht an sie denken.
    „Und was war mit Achilleus?“ Die Seherin ließ nicht locker.
„Er weigerte sich, seinen Kameraden im Kampf beizustehen, als ihre Not am
größten war. Stattdessen schickte er seinen Freund Patroklos, der dabei den Tod
fand. Kann man da nicht sagen, dass Achilleus seinen Freund seinem Stolz
geopfert hat?“
    „Doch“, gab Alexander widerwillig zu. Sogar Lysimachos, der
die Ilias so sehr liebte, hatte das gesagt. Sogar mit denselben Worten, er
erinnerte sich noch genau.
    „Herakles und Achilleus haben nicht immer gewonnen“, stellte
Aristarche fest. „Auch Helden gewinnen nicht immer. Jeder von ihnen hat in seinem
Leben auch Niederlagen erlitten. Oft die schlimmste, die es gibt: die
Niederlage im Kampf gegen sich selbst.“
    Er erwiderte nichts.
    „Auch Helden sind manchmal schwach und voller Furcht. Voller
Hochmut, Stolz und Zorn.“ Die Seherin legte ihm die Hand auf den Arm, als wolle
sie ihn trösten. „Aber es gibt drei Gaben, die dem Menschen helfen, seine
Unzulänglichkeit zu überwinden und das Richtige zu tun: der Mut, den man dazu
braucht; zuvor die Weisheit, das Richtige zu erkennen; vor allem aber der gute
Wille. Denn manche Menschen besitzen Weisheit, aber nicht den Mut, andere zwar
Mut, aber keine Weisheit, wieder andere verfügen über beides, doch ihnen fehlt
der Wille, sie auch zu nutzen. Mut und Weisheit sind Gaben der Götter, doch der
gute Wille muss aus unserem Inneren kommen, er ist eine Gabe des Menschen an
sich selbst. Die alten Helden besaßen ihn. Eines Tages musst du beweisen, dass
auch du ihn hast.“ Einen Augenblick lang glaubte er, etwas wie Mitleid in ihrem
Gesicht zu erkennen. „Du denkst, ich rede Unsinn. Du fragst dich, warum ich mit
dir ausgerechnet über Helden reden wollte. Doch eines Tages wirst du mich verstehen.“
    Noch ehe er reagieren konnte, zog sie sich den Schleier über
den Kopf. Er wusste, sie würde ihm nicht mehr antworten. Sie lehnte sich in
ihrem Sessel zurück, und ihre Gestalt verschmolz wieder mit der Dunkelheit.

Die Gärten des Midas
1
    Alexander hatte es sich provisorisch auf dem Bündel, das
seine Habseligkeiten enthielt, bequem gemacht. Zusammen mit einer lärmenden
Horde von Altersgenossen wartete er bereits eine ganze Weile im Hof der
weitläufigen Anlage. Kleitos, Lanikas Bruder, hatte ihn und die anderen Jungen
von Aigai, wo die Xanthika stattgefunden hatten, nach Mieza begleitet. Seitdem
harrten sie der Dinge, die da kommen sollten. Endlich tat sich etwas. Aus dem
Gebäude an der Stirnseite des Hofes trat eine Gruppe von Männern und blieb
zwischen den Säulen der Vorhalle stehen. Erwartungsvolle Ruhe kehrte ein.
    „Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Ich bin Antigenes,
Sohn des Tlepolemos aus Beroia“, schnarrte einer der Männer in dem typisch
militärischen Tonfall, den Alexander schon von Leonidas, Koiranos und Balakros
zur Genüge kannte. „Das hier sind meine Assistenten: Hegelochos, Sohn des
Ariston aus Tyrissa. Perilaos, Sohn des Andromachos aus Edessa ...“ Antigenes
rasselte weitere Namen herunter, deren Träger hinter ihm standen und sich
bemühten, dem Anlass entsprechend grimmige Gesichter zu machen. „Wir alle
werden eure militärische Ausbildung in die Hand nehmen. Für den, äh, geistigen
Teil ist Aristoteles, Sohn des Nikomachos aus Stageira, zuständig. Möchtest du
an dieser Stelle vielleicht etwas sagen,

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