Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
der Heizkessel, nicht gebrauchte Koffer, Sportgeräte, für die gerade keine Saison ist, und viele Pappkartons, die fast nie geöffnet, aber stets bei jedem Umzug sorgsam von Haus zu Haus mitgenommen werden, weil man immer hofft, dass eines Tages jemand die Babysachen braucht, die seit fünfundzwanzig Jahren in einem der Kartons liegen. Der Keller ist nicht sehr anheimelnd, aber dafür vermittelt er uns ein Gefühl für den »Überbau« des Hauses, die Dinge, die es halten und zusammenhalten. Und um die geht es in diesem Kapitel. Die Story des Erie-Kanals habe ich deshalb vorweggeschickt, weil ich darauf hinweisen möchte, dass die Baumaterialien wichtiger und meiner Meinung nach sogar interessanter sind, als man denkt. Jedenfalls machen sie auf Arten und Weisen Geschichte, die in Büchern nicht oft erwähnt werden.
Amerika zeigt in seinen Anfängen aber auch, wie man ohne das richtige Baumaterial zurechtkommen konnte. An der Ostküste fehlte so gut wie alles, was man zum Häuserbau brauchte. Unter anderem gab es dort keinen Kalkstein, wie schon die ersten Kolonisten zu ihrer Bestürzung feststellen mussten. In England konnte man ein einigermaßen solides Haus mit Flechtwerk und Lehm bauen — also mit Schlamm und Stöcken —, wenn der Schlamm ausreichend mit Kalk gebunden war, doch da es in Amerika keinen Kalk gab (beziehungsweise man erst 1690 welchen fand), bauten die Kolonisten mit getrocknetem Schlamm, dem es schmerzlich an Stabilität gebrach. Im 17. Jahrhundert hielt kaum ein Haus länger als zehn Jahre. Es war die Periode der Kleinen Eiszeit, als die gemäßigten Breiten über ein Jahrhundert lang mit bitterkalten Wintern und heulenden Stürmen geschlagen waren. 1634 blies ein Hurricane die Hälfte der Häuser in Massachusetts weg: hob sie buchstäblich hoch und trug sie davon. Kaum hatten die Menschen sich neue gebaut, tobte ein weiterer ähnlich schwerer Sturm und »kippte«, mit den Worten eines Tagebuchschreibers, der es selbst erlebte, »mehrere Häuser um und deckte von etlichen die Dächer ab«. In vielen Gegenden gab es nicht einmal halbwegs anständige Steine zum Bauen. Als George Washington die Loggia auf seinem Anwesen Mount Vernon mit schlichten Steinplatten auslegen wollte, musste er sich Letztere aus England schicken lassen.
Eines allerdings gab es in Amerika in Mengen, und das war Holz. Als die Europäer in der Neuen Welt ankamen, war der Kontinent mit geschätzten 950 Millionen Morgen Wald bedeckt — einer schier unerschöpflichen Menge —, doch in Wirklichkeit waren die Wälder nicht so grenzenlos, besonders, wenn man weiter landeinwärts zog. Hinter den Bergen der Ostküste hatten die Ureinwohner schon große Flächen abgeholzt und viel Dickicht zwischen den Bäumen verbrannt, um leichter jagen zu können. In Ohio sahen die ersten Siedler erstaunt, dass die Wälder mehr wie englische Parks wirkten als wie Urwälder und so wenig dicht waren, dass man mit Fuhrwerken bequem hindurchfahren konnte. Die Indianer hatten diese weiten Flächen für die Bisons geschaffen, die sie dort in großer Zahl erlegten.
Die Kolonisten nun nahmen das Holz für alles und jedes. Sie benutzten es, um Häuser, Scheunen, Wagen, Boote, Zäune und Möbel zu bauen, und stellten auch alle möglichen Alltagsgegenstände, von Eimern bis zu Löffeln, daraus her. Zudem verbrannten sie es reichlich, um ihre Häuser zu beheizen und zu kochen. Carl Bridenbaugh, ein Historiker des frühen Lebens in Amerika, behauptet, das durchschnittliche Kolonistenhaus habe fünfzehn bis zwanzig Klafter Feuerholz pro Jahr verbraucht. Das wäre ein Holzstapel von mehr als 25 Metern Höhe, 25 Metern Breite und 50 Metern Länge, was unglaublich groß erscheint. Aber wahr ist sicherlich, dass Holz im Eiltempo verbraucht wurde. Bridenbaugh erwähnt ein Dorf auf Long Island, wo in gerade mal vierzehn Jahren jedes Stöckchen und Ästchen im Umkreis von vielen Kilometern aufgebraucht war, und solche Dörfer gab es sicher viele.
Riesige Landflächen wurden gerodet, um Felder und Weideland zu schaffen, und sogar Straßendämme verwandelten sich in breite Lichtungen, denn Straßen und Wege in Kolonialamerika waren meist ungeheuer breit (fünfzig Meter nicht unüblich), weil man sich vor Hinterhalten schützen wollte und Platz brauchte, um Viehherden zum Markt zu treiben und unterwegs weiden zu lassen. 1810 war kaum noch ein Viertel der ursprünglichen Wälder Connecticuts übrig. Weiter westlich, in Michigan, schrumpfte in einem einzigen
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