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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Jahrhundert der scheinbar unerschöpfliche Vorrat an Weymouthkiefern (über 400 Millionen Kubikmeter bei Ankunft der ersten Kolonisten) um 95 Prozent. Viel amerikanisches Holz wurde auch nach Europa exportiert, besonders in Form von Schindeln und anderem Bauholz. Jane Jacob schreibt in ihrem Buch Die Ökonomie der Städte, dass im Großen Feuer von London viel amerikanisches Holz verbrannte.
    Allgemein wird immer angenommen, dass die frühen Siedler Blockhäuser bauten. Weit gefehlt. Sie hätten gar nicht gewusst, wie. Blockhäuser kamen erst mit skandinavischen Einwanderern Ende des achtzehnten Jahrhunderts auf, aber dann mit Macht. Obwohl vergleichsweise simpel zu bauen — das war natürlich ihr Reiz —, waren sie nicht ohne Raffinesse. Wenn die Schreiner die Balken an den Ecken ineinanderfügten, konnten sie viele verschiedene Techniken anwenden, und diese waren kurioserweise immer spezifisch für eine bestimmte Gegend, was noch niemand vollständig erklärt hat. Sogenannte Schrote, die im tiefen Süden, in der Mitte Wisconsins und im südlichen Michigan verwendet wurden, fand man fast nirgendwo sonst. Die Bewohner im Staate New York wiederum ließen von ihrer Art der Verkerbung fast vollkommen ab, wenn sie weiterzogen. Man könnte die Geschichte der inneramerikanischen Migration — ja, man hat es auch — anhand dessen darstellen, welche Schrote wo auftauchen. Leute haben ihr ganzes Berufsleben der Erforschung der Verteilungsmuster gewidmet.
    Wenn man bedenkt, wie schnell sich die amerikanischen Kolonisten durch die herrlichen Wälder hieben, wundert es einen nicht, dass im viel kleineren und bevölkerungsreicheren England der Mangel an Bauholz ein ständiges drückendes Problem war. In Sagen und Märchen ist zwar stets von unheimlichen, düsteren Forsten die Rede, doch in Wirklichkeit gab es nicht viele Bäume, hinter denen sich Robin Hood und seine fröhlichen Gesellen verstecken konnten. Schon zu Zeiten des Domesday Book waren nur fünfzehn Prozent Englands mit Wald bedeckt.
    Die Briten haben immer schon eine Menge Holz benötigt und verbraucht. Ein typisches Bauernhaus aus dem fünfzehnten Jahrhundert bestand aus dem Holz von dreihundertdreißig Eichen. Für Schiffe benötigte man mehr. Für Nelsons Flaggschiff, die Victory, vermutlich dreitausend ausgewachsene Eichen — ein mittleres Wäldchen.
    Eichenholz wurde auch fuderweise in vielen Gewerben verwendet; Eichenrinde, vermischt mit Hundekot, beim Ledergerben. Aus den Galläpfeln, Wucherungen, die durch Eiablage der Gallwespen an Eichen entstehen, machte man Tinte. Doch die gefräßigsten Holzverbraucher waren die Köhler. Zu Zeiten Heinrich VIII. brauchte man pro Jahr das Holz von 518 Quadratkilometern Wald, um genügend Holzkohle für die Eisenverhüttung zu erzeugen, und Ende des achtzehnten Jahrhunderts war diese Menge auf 1400 oder etwa ein Siebentel des gesamten Waldbestands im Land gestiegen.
    Die meisten Wälder wurden durch das sogenannte »Auf Stock Setzen« bewirtschaftet; man schnitt die Bäume bis auf den Wurzelstock zurück und ließ sie nachwachsen, es wurden also nicht jedes Jahr große Schneisen geschlagen. Deshalb war die Holzkohlenindustrie auch keineswegs nur Übeltäter, sondern sorgte für eine umfassende Pflege des Waldes, wenn auch, ehrlich gesagt, für eher charakterlosen Niederwald als urige Forste mit mächtigen sonnendurchfluteten Baumgruppen. Doch trotz sorgfältiger Bewirtschaftung überstieg die Nachfrage nach Holz beständig das Angebot, und zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts war es in Großbritannien absolute Mangelware. Die Fachwerkhäuser, die uns aus dieser Zeit in England so bekannt sind, spiegeln keinen Überfluss an Bauholz wider, sondern Knappheit. Die Hausbesitzer zeigten, dass sie sich etwas Rares leisten konnten!
    Erst aus purer Notwendigkeit benutzten die Menschen allmählich Stein. In England gab es den wunderbarsten Baustein der Welt, aber es dauerte ewig, bis die Leute es merkten. Fast tausend Jahre lang, vom Zusammenbruch des Römischen Reichs bis zur Zeit Chaucers, war Holz mit wenigen Ausnahmen das Baumaterial. Nur die allerwichtigsten Gebäude — Kathedralen, Schlösser, Burgen, Kirchen — führte man in Stein aus. Als die Normannen nach England kamen, gab es im ganzen Land kein einziges Wohnhaus aus Stein. Komisch, denn überall hatte man den feinsten Stein zum Bauen unter den Füßen. Von Dorset an der Südküste bis zu den Cleveland Hills in Yorkshire im Norden zieht sich in einem langen,

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