Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
gesagt, Hunderte andere große Häuser wurden ohne viel Tamtam abgetragen. In den 1950er Jahren, den Hochzeiten der Zerstörung, verschwanden im Durchschnitt zwei pro Woche. Wie viele genau es waren, ist unbekannt. 1974 richtete das Victoria &Albert-Museum eine gefeierte Ausstellung aus, »Die Zerstörung des Landhauses«, in der man das ungeheuerliche Verschwinden von Herrensitzen in den vergangenen einhundert Jahren dokumentierte. Die Kuratoren Marcus Binney und John Harris zählten 1116 Häuser, die abgerissen worden waren, doch weitere Untersuchungen ergaben sogar noch mehr. Allgemein geht man heute von etwa 2000 aus — ein schmerzhafter Verlust, wenn man bedenkt, dass es sich um die schönsten, beeindruckendsten, kühnsten, einflussreichsten und eigentlich doch wertzuschätzenden Wohngebäude handelte, die je auf unserem Planeten errichtet wurden.
So war also die Lage, als Mr. Marsham und sein Jahrhundert sich gemeinsam ihren letzten Jahren näherten. Für unseren Alltag und für die Dinge, die darin eine Rolle spielen, hat es wohl nie eine interessantere oder ereignisreichere Zeit gegeben. Im neunzehnten Jahrhundert wurde das Leben in vielen Bereichen umfassend verändert — gesellschaftlich, intellektuell, technologisch und was die Einstellung zu Kleidung, Hygiene und Sex anbelangt. Mr. Marsham wurde 1822 in eine Welt geboren, die im Wesentlichen noch mittelalterlich war — eine Welt des Kerzenlichts, des Schröpfens mit Blutegeln, des Reisens im Schritttempo, der »Neu«igkeiten, die von weiter entfernten Orten nach Wochen und Monaten eintrafen. Doch er erlebte während seines Erdendaseins ein Wunder nach dem anderen: Dampfschiffe und rasende Eisenbahnen, die Telegrafie, Fotografie und Anästhesie, fließend Wasser im Haus, Gasbeleuchtung, keimtötende Mittel in der Medizin, Kühlschränke, Telefon, elektrisches Licht, aufgenommene und wieder abspielbare Musik, Autos und Flugzeuge, Wolkenkratzer, Filme, Radio und buchstäblich Tausende winziger Dinge mehr, von Seifen aus Massenherstellung bis zu mechanischen Rasenmähern.
Man kann sich wirklich kaum ausmalen, wie viele radikale Veränderungen die Menschen im neunzehnten Jahrhundert und besonders in dessen zweiter Hälfte tagtäglich erlebten. Selbst so etwas wie »das Wochenende« war brandneu. Der Begriff dafür, »week-end«, ist vor 1879 im Englischen nicht verbürgt. Dann erschien er in der Zeitschrift Notes & Queries in dem Satz: »Wenn in Staffordshire jemand am Samstagnachmittag, am Ende einer Arbeitswoche, losfährt, um den Abend des Samstag und den folgenden Sonntag mit Freunden weiter weg zu verbringen, heißt es, dass er sein Wochenende in So-und-so verbringt.« Gut, es bedeutete nur den Samstagnachmittag und Sonntag, und auch nur für bestimmte Leute. Aber ein Recht auf Erholung war fraglos im Anmarsch.
Bemerkenswert ist, dass die Welt zwar angenehmer für die meisten Menschen wurde — heller, mit besseren sanitären Anlagen im Haus, mehr Freizeit und mehr Unterhaltung, die man sich auch leisten konnte. Doch für Leute wie Mr. Marsham löste sie sich heimlich, still und leise auf. Die Landwirtschaftskrise, die in den 1870ern begann und quasi endlos andauerte, brachte den Landpfarrern ebenso deutliche Verschlechterungen wie den reichen Landbesitzern, von denen sie abhingen, und Pfarrer, deren Familienvermögen ebenfalls komplett auf Landbesitz basierte wie bei den Marshams, traf sie doppelt.
1900 belief sich das Gehalt eines Pfarrers an Kaufkraft auf nicht einmal mehr die Hälfte dessen, was es noch fünfzig Jahre zuvor betragen hatte. Crockford's Clerical Dictionary von 1903 berichtete wenig trostreich, dass ein »erheblicher Anteil« der Geistlichen nun »gerade noch genug zum Leben« hatte. Ein Reverend F.J. Bleasby, hieß es, hatte 470 vergebliche Bewerbungen für eine Pfarrstelle eingereicht und war schließlich, gedemütigt und erfolglos, in ein Arbeitshaus gegangen. Der wohlhabende Pfarrer gehörte ein für alle Mal der Vergangenheit an.
Auch die schönen, großen Pfarrhäuser auf dem Land, in denen es sich einst so angenehm und bequem leben ließ, wurden finanziell oft zu Fässern ohne Boden. Viele Geistliche, die aus bescheideneren Verhältnissen stammten und sich mit nun sehr geschrumpften Mitteln durchschlagen mussten, konnten im zwanzigsten Jahrhundert ihre Anwesen nicht mehr unterhalten. Eine Mrs. Lucy Burnett, Landpfarrersgattin in Yorkshire, klagte 1933 über die Größe des Pfarrhauses, das sie führen musste, vor einem
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