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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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ausgesetzt. Die letzten Jahrzehnte mögen in der Tat ein beispielloses goldenes Zeitalter gewesen sein, aber es ist noch viel zu früh, um beurteilen zu können, ob es sich um eine umfassende historische Wende handelt oder um eine vorübergehende Glückssträhne. Außerdem sollten wir nicht der Versuchung erliegen, die Geschichte durch die Brille der europäischen Mittelschicht zu sehen. Aus Sicht eines walischen Bergarbeiters, eines chinesischen Opiumsüchtigen und eines tasmanischen Ureinwohners des 19. Jahrhunderts sieht die Geschichte ganz anders aus.
    Und zweitens ist durchaus denkbar, dass diese kurze Glückssträhne die Saat für eine kommende Katastrophe gelegt hat. In den zurückliegenden Jahrzehnten haben wir das ökologische Gleichgewicht des Planeten auf verschiedenste Weise gestört, und niemand kann die Konsequenzen absehen. Es gibt viele Anzeichen dafür, dass wir gerade im Begriff sind, in einer Orgie des gedankenlosen Konsums die Grundlage unseres Wohlstands zu verprassen.
    Und schließlich können wir uns nur für die beispiellosen Errungenschaften des modernen Homo sapiens auf die Schulter klopfen, wenn wir das Schicksal aller anderen Tiere ausblenden. Ein Gutteil der materiellen Errungenschaften, mit denen wir Hunger und Krankheiten überwunden haben, waren nur auf Kosten von Laboraffen, Milchkühen und Fließbandhühnern möglich. In den vergangenen zwei Jahrhunderten haben wir Abermilliarden von Tieren in einem Regime industrieller Ausbeutung geknechtet, deren Grausamkeit in den Annalen des Planeten Erde ohne Gleichen ist. Wenn nur ein Bruchteil der Behauptungen von Tierschützern stimmen, dann ist die moderne industrielle Tierhaltung das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Wenn wir das globale Glück messen wollen, dürfen wir die Messlatte nicht bei Wohlhabenden, bei den Europäern oder bei den Männern und vermutlich nicht einmal nur beim Menschen anlegen.
    Die Vermessung des Glücks
    Bislang sind wir davon ausgegangen, dass Glück vor allem von materiellen Faktoren wie Gesundheit, Ernährung und Wohlstand abhängt. Je reicher und gesünder wir sind, umso glücklicher sind wir auch, so die Logik. Dieser Zusammenhang ist jedoch keineswegs erwiesen. Philosophen, Priester und Dichter haben sich Jahrtausende lang den Kopf über das Glück zerbrochen und sind oft zu dem Schluss gekommen, dass gesellschaftliche, ethische und spirituelle Faktoren weit größere Auswirkungen auf unser Glücksempfinden haben als unsere materiellen Umstände. Könnte es sein, dass Menschen in wohlhabenden Gesellschaften trotz ihres Wohlstands unter Entfremdung und Sinnlosigkeit leiden? Und könnte es sein, dass unsere weniger wohlhabenden Vorfahren in der Gemeinschaft, der Religion und der Beziehung zur Natur ihr Glück fanden?
    In den letzten Jahrzehnten hat man mit der wissenschaftlichen Untersuchung des Glücks und seiner Ursachen begonnen. Macht uns Geld glücklich? Die Familie? Unsere Gene? Oder vielleicht sogar die Tugend? Um dies zu beantworten, müssen wir zunächst einmal klären, was wir überhaupt messen. Die meisten Wissenschaftler definieren Glück als »subjektives Wohlbefinden«. Demnach ist das Glück ein subjektives Gefühl hinsichtlich meiner unmittelbaren oder langfristigen Befindlichkeit. Aber wie lässt sich dieses subjektive Gefühl objektiv messen? Psychologen und Biologen gehen davon aus, dass sie einfach danach fragen können. Also ermitteln sie unser subjektives Glücksempfindungen mithilfe von Fragebögen.
    In einem typischen Glücks-Fragebogen sollen die Teilnehmer auf einer Skala von 0 bis 10 beurteilen, inwieweit bestimmte Aussagen auf sie zutreffen, zum Beispiel »ich bin zufrieden mit meiner Lebenssituation«, »ich empfinde das Leben als lebenswert«, »ich blicke optimistisch in die Zukunft« oder »das Leben ist gut«. Die Wissenschaftler addieren diese Antworten und ermitteln so das subjektive Wohlbefinden der Teilnehmer.
    Über solche und ähnliche Fragebögen lässt sich außerdem ermitteln, ob ein Zusammenhang zwischen dem Glück und verschiedenen äußeren Faktoren besteht. In einer Untersuchung könnten beispielsweise zwei Gruppen von je tausend Teilnehmern verglichen werden, von denen die eine ein Jahreseinkommen von 100000 Euro hat und die andere ein Jahreseinkommen von 50000 Euro. Wenn die Untersuchung zu dem Schluss kommt, dass die erste Gruppe im Durchschnitt ein subjektives Wohlbefinden von 8,7 hat, und die zweite nur von 7,3, dann könnten wir daraus den

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