Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)
Frage nach dem Glück vermutlich größere Bedeutung ein als jede andere Religion. Seit zweieinhalb Jahrtausenden beschäftigen sich Buddhisten systematisch mit dem Wesen und den Ursachen des menschlichen Glücks, weshalb sich Wissenschaftler heute besonders für ihre Philosophie und Meditationspraxis interessieren. Der Buddhismus geht davon aus, dass Glück weder eine subjektive Empfindung ist noch von einem Lebenssinn abhängt. Glück bedeutet im Gegenteil, keinen subjektiven Empfindungen und keinen Illusionen mehr nachzujagen. Nach Ansicht des Buddhismus verwechseln die meisten Menschen Glück mit angenehmen Empfindungen und Leid mit unangenehmen Empfindungen. Daher sehnen sie sich nach angenehmen Gefühlen und wollen unangenehme Gefühle vermeiden. Doch darin irren sie sich gründlich. In Wahrheit haben unsere subjektiven Empfindungen kein Wesen und keine Bedeutung. Es handelt sich um flüchtige Schwingungen, die sich ununterbrochen ändern, wie die Wellen des Meeres. Wenn wir diesen Wellen zu große Bedeutung beimessen, ergreifen sie Besitz von uns und machen uns unruhig und unzufrieden. Immer wenn wir ein unangenehmes Gefühl haben, leiden wir. Und selbst wenn wir ein angenehmes Gefühl haben, sind wir unzufrieden, weil wir wollen, dass das angenehme Gefühl stärker wird, oder weil wir Angst haben, dass es vergehen könnte. Die Jagd nach subjektiven Empfindungen ist so ermüdend wie sinnlos und liefert uns nur einem erbarmungslosen Tyrannen aus. Die Ursache des Leids ist nicht die subjektive Empfindung von Schmerz, Trauer oder Sinnlosigkeit. Die Ursache des Leids ist genau diese Jagd nach beliebigen subjektiven Empfindungen, denn sie versetzt uns in einen dauernden Zustand der Anspannung, Verwirrung und Unzufriedenheit.
Daher können wir das Leid nur überwinden, wenn wir verstehen, dass es sich bei unseren subjektiven Empfindungen lediglich um flüchtige Schwingungen handelt, und wenn wir die Jagd nach diesen subjektiven Empfindungen beenden. Dann verursacht Schmerz kein Leid mehr, und Freude stört unseren inneren Frieden nicht. Unser Geist ist ruhig, klar und zufrieden. Der daraus resultierende Gleichmut ist so profund, dass die Menschen, die ihr Leben lang wie besessen hinter angenehmen Empfindungen herlaufen, nicht einmal eine annähernde Vorstellung davon bekommen können. Sie erinnern an einen Mann, der sein Leben lang am Meeresufer steht und verzweifelt versucht, die »guten« Wellen fest- und die »schlechten« fernzuhalten. Tagein, tagaus steht er am Strand und verliert bei dieser sinnlosen Übung schier den Verstand. Irgendwann setzt er sich hin und schaut einfach zu, wie die Wellen kommen und gehen. Welcher Frieden!
Diese Vorstellung ist der modernen westlichen Kultur so fremd, dass die westliche NewAge-Bewegung sie bei ihrer ersten Begegnung mit den Buddhismus gründlich missverstand und auf den Kopf stellte. New Age-Kulte behaupten oft: »Glück hängt nicht von äußeren Umständen ab. Es hängt davon ab, was wir im Innern fühlen. Wir sollten nicht nach äußeren Leistungen wie Reichtum und Status streben, sondern vielmehr mit unseren innersten Gefühlen in Kontakt treten.« Oder knapper: »Das Glück kommt von innen.« Genau das behaupten auch die Biologen, aber es ist das glatte Gegenteil von Buddhas Lehre.
Buddha stimmt mit der modernen Biologie und der New Age-Bewegung überein, dass das Glück nicht von äußeren Umständen abhängt. Doch er erkannte, dass wahres Glück auch nichts mit unseren subjektiven Gefühlen zu tun hat. Im Gegenteil, je mehr Bedeutung wir diesen Gefühlen geben, umso mehr sehnen wir uns nach ihnen und umso mehr leiden wir. Daher empfahl er uns nicht nur, das Streben nach äußeren Errungenschaften aufzugeben, sondern vor allem die Jagd nach Gefühlen.
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Fragebögen zum subjektiven Wohlbefinden gehen also davon aus, dass das Glück ein subjektives Gefühl ist und beschreiben die Suche nach Glück als die Suche nach bestimmten emotionalen Zuständen. Im Gegensatz dazu sehen traditionelle Philosophien und Religionen wie der Buddhismus den Schlüssel zum Glück in der Selbsterkenntnis. Viele Menschen machen den Fehler, sich mit ihren Empfindungen, Gedanken, Vorlieben und Abneigungen zu identifizieren. Wenn Sie ärgerlich sind, denken Sie: »Ich bin ärgerlich. Das ist mein Ärger.« Folglich bringen sie ihr Leben damit zu, bestimmte Gefühle zu suchen und andere zu meiden. Sie erkennen nie, dass das gar nicht »ihre« Gefühle sind, und dass die Jagd nach
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