Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
erreichte, weil die Energie aller Bewegungen durch die Emission von Gravitationswellen verlorenginge. (Es ist, als ließe man einen Korken ins Wasser fallen: Zunächst tanzt er heftig auf und ab, aber die Wellen tragen seine Energie fort, so daß er schließlich in einen stationären Zustand gelangt.) Beispielsweise erzeugt die Bewegung der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne Gravitationswellen. Der Energieverlust verändert die Umlaufbahn der Erde, so daß sie allmählich immer näher an die Sonne heranrücken, schließlich mit ihr kollidieren und einen stationären Zustand annehmen wird. In diesem Fall ist der Energieverlust allerdings sehr gering: gerade groß genug, um eine kleine Heizsonne zu speisen. Danach wird es tausend Millionen Millionen Millionen Millionen Jahre dauern, bis die Erde in die Sonne stürzt. Also noch kein akuter Grund zur Besorgnis! Die Veränderung in der Umlaufbahn der Erde ist so geringfügig, daß wir sie nicht wahrnehmen können, doch den gleichen Effekt hat man in den letzten Jahren in einem System namens PSR 1913 + 16 beobachtet (PSR steht für Pulsar, einen besonderen Neutronenstern-Typ, der regelmäßige Pulse von Radiowellen aussendet). Das System besteht aus zwei einander umkreisenden Neutronensternen, und die Energie, die sie infolge der Emission von Gravitationswellen verlieren, veranlaßt sie, sich in Spiralen aufeinander zu zu bewegen. Für diese Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie erhielten J. H. Taylor und R. A. Hulse 1993 den Nobelpreis. Es wird noch etwa zehntausend Jahre dauern, bis die Sterne kollidieren. Kurz davor werden sie so rasch umeinander kreisen und dabei so starke Gravitationswellen abstrahlen, daß sie sich mit Hilfe neuartiger Detektoren wie LIGO werden nachweisen lassen.
Bei einem Gravitationskollaps, der zu einem Schwarzen Loch führt, verliefen die Bewegungen sehr viel rascher. Deshalb wäre auch der Energieverlust durch Gravitationswellen sehr viel höher. Es würde also nicht allzu lange dauern, bis das Schwarze Loch einen stationären Zustand annähme. Wie könnte dieser Endzustand aussehen? Man könnte vermuten, daß er von all den komplexen Eigenschaften des Sterns abhinge, aus dem er sich gebildet hat – nicht nur von seiner Masse und Rotationsgeschwindigkeit, sondern auch von der unterschiedlichen Dichte der verschiedenen Teile des Sterns und den komplizierten Gasbewegungen in seinem Innern. Und wenn Schwarze Löcher so vielgestaltig wären wie die Objekte, aus deren Kollaps sie entstehen, wäre es schwer, überhaupt allgemeine Vorhersagen über sie zu treffen.
1967 jedoch wies Werner Israel, ein kanadischer Wissenschaftler, der in Berlin geboren wurde, in Südafrika aufwuchs und in Irland promovierte, der Theorie der Schwarzen Löcher eine ganz neue Richtung. Er bewies, daß nach der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht-rotierende Schwarze Löcher sehr einfach sein müssen: vollkommen sphärisch, in ihrer Ausdehnung nur von der Masse abhängig und immer dann identisch, wenn ihre Masse gleich ist. Sie lassen sich durch eine bestimmte Lösung der Einsteinschen Gleichungen beschreiben, die seit 1917 bekannt ist – Karl Schwarzschild hat sie kurz nach der Ausarbeitung der Allgemeinen Relativitätstheorie entdeckt. Zunächst haben viele Wissenschaftler, auch Israel selbst, die Auffassung vertreten, daß sich Schwarze Löcher, da sie vollkommen sphärisch sein müssen, nur aus dem Kollaps vollkommen sphärischer Körper bilden könnten. Kein realer Stern – der niemals vollkommen sphärisch ist – kann nach dieser Überlegung zu einer nackten Singularität zusammenstürzen.
Es gab jedoch noch eine andere Deutung des Israelschen Resultats, die vor allem Roger Penrose und John Wheeler vertraten. Nach ihrer Auffassung führen die raschen Bewegungen beim Kollaps eines Sterns dazu, daß die abgegebenen Gravitationswellen für eine immer sphärischere Gestalt sorgen. Zu dem Zeitpunkt, da der Stern einen stationären Zustand angenommen habe, so diese Theorie, sei er vollkommen sphärisch. Jeder nicht-rotierende Stern würde – ganz gleich, wie kompliziert seine Form und innere Struktur wären – nach dem Gravitationskollaps als vollkommen sphärisches Schwarzes Loch enden, dessen Größe nur von seiner Masse abhinge. Weitere Berechnungen erhärteten diese Auffassung, so daß sie bald allgemein akzeptiert wurde.
Israels Ergebnis betraf nur Schwarze Löcher, die sich aus nicht-rotierenden Körpern bilden. 1963 fand der Neuseeländer
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