Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
entfernt und zu schwer zu beobachten, als daß sie einen endgültigen Beweis für die Existenz Schwarzer Löcher liefern könnten.
Weitere Anhaltspunkte für Schwarze Löcher brachte 1967 die Entdeckung von Jocelyn Bell-Burnell, einer Doktorandin in Cambridge. Sie stellte fest, daß einige Objekte am Himmel regelmäßige Pulse von Radiowellen aussenden. Zunächst meinten sie und ihr Tutor Antony Hewish, sie hätten möglicherweise Kontakt zu einer außerirdischen Zivilisation in der Galaxis aufgenommen. Ich erinnere mich, daß sie in dem Seminar, in dem sie ihre Entdeckung bekanntgaben, die ersten Quellen, die sie ausfindig gemacht hatten, LGM 1–4 nannten – LGM stand für «Little Green Men». Doch schließlich gelangten sie und alle anderen zu dem weniger romantischen Schluß, daß es sich bei diesen Objekten, die man als Pulsare bezeichnete, um rotierende Neutronensterne handelte, die ihre Radiowellenpulse aufgrund einer komplizierten Wechselwirkung zwischen ihren magnetischen Feldern und der sie umgebenden Materie aussandten. Das war eine schlechte Nachricht für die Autoren von Weltraum-Western, aber sehr ermutigend für die wenigen, die damals an Schwarze Löcher glaubten: Dies war der erste konkrete Anhaltspunkt dafür, daß es wirklich Neutronensterne gibt. Der Radius eines Neutronensterns beträgt ungefähr sechzehn Kilometer und ist damit nur ein paarmal so groß wie der kritische Radius, der zur Bildung eines Schwarzen Loches führt. Wenn ein Stern zu so geringer Größe kollabieren konnte, durfte man durchaus erwarten, daß andere Sterne auf noch geringeren Umfang schrumpfen und zu Schwarzen Löchern werden können.
Doch wie soll man jemals ein Schwarzes Loch entdecken, wo es doch per definitionem kein Licht aussendet? Es ist, als suche man eine schwarze Katze in einem Kohlenkeller. Glücklicherweise gibt es doch eine Möglichkeit. Schon John Michell hatte in seinem grundlegenden Aufsatz aus dem Jahre 1783 darauf hingewiesen, daß ein Schwarzes Loch nach wie vor mit seiner Gravitation nahe gelegene Objekte beeinflußt. Astronomen kennen zahlreiche Systeme, in denen zwei Sterne umeinander kreisen, wobei sie sich gegenseitig mit ihrer Schwerkraft anziehen. Es sind aber auch Systeme bekannt, in denen nur ein sichtbarer Stern um einen unsichtbaren Begleiter kreist. Natürlich kann man daraus nicht bedenkenlos schließen, daß der Begleiter ein Schwarzes Loch sei – es könnte einfach ein Stern sein, dessen Licht zu schwach ist, um von uns wahrgenommen zu werden. Doch bei einigen dieser Systeme, zum Beispiel bei Cygnus X-1 (Abb. 19), handelt es sich auch um starke Röntgenquellen. Dieses Phänomen läßt sich am besten damit erklären, daß von der Oberfläche des sichtbaren Sterns Materie weggeblasen wird. Wenn sie dann auf den unsichtbaren Begleiter fällt, gerät sie in spiralförmige Bewegung (ähnlich dem Wasser, das in den Abfluß läuft) und wird so heiß, daß sie Röntgenstrahlen aussendet (Abb. 20). Dieser Mechanismus ist nur möglich, wenn das unsichtbare Objekt sehr klein ist, so klein wie ein Weißer Zwerg, ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch. Aus der beobachteten Bahn des sichtbaren Sterns läßt sich die geringste mögliche Masse des unsichtbaren Objekts errechnen. Im Fall von Cygnus X-1 liegt sie ungefähr bei dem Sechsfachen der Sonnenmasse.
Nach dem Chandrasekharschen Grenzwert ist die Masse des unsichtbaren Objekts zu groß, als daß es sich um einen Weißen Zwerg handeln könnte, und sie ist auch zu groß für einen Neutronenstern. Deshalb, so scheint es, muß es ein Schwarzes Loch sein.
Abb. 19: Der durch den Pfeil gekennzeichnete Stern auf dem Foto ist Cygnus X-1, von dem man vermutet, er bestehe aus einem Schwarzen Loch und einem normalen Stern, die einander umkreisen.
Es gibt andere Modelle zur Erklärung von Cygnus X-1, die ohne Schwarzes Loch auskommen, doch sind sie alle ziemlich weit hergeholt. Ein Schwarzes Loch scheint die einzige natürliche Erklärung für die Beobachtungen zu sein. Trotzdem habe ich mit Kip Thorne vom California Institute of Technology gewettet, daß Cygnus X-1 kein Schwarzes Loch enthält. Damit habe ich eine Art Versicherung abgeschlossen. Ich habe viel Arbeit in die Theorie der Schwarzen Löcher investiert. Die ganze Mühe wäre umsonst, wenn sich herausstellen würde, daß es sie gar nicht gibt. Aber dann bliebe mir wenigstens der Trost, eine Wette gewonnen zu haben, und ich würde vier Jahre lang kostenlos die Zeitschrift Private Eye
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