Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
Ebene konzentriert. Im zweiten Fall wäre die für solche Ausbrüche erforderliche Energie viel zu groß, um von winzigen Schwarzen Löchern erzeugt werden zu können. Befänden sich die Quellen aber, im Rahmen galaktischer Größenordnung gesehen, in unserer Nähe, könnte es sich durchaus um explodierende Schwarze Löcher handeln. Ich wäre darüber natürlich äußerst erfreut, muß aber zugeben, daß es auch andere denkbare Erklärungen für die Gammastrahlenausbrüche gibt – zum Beispiel daß sie durch kollidierende Neutronensterne hervorgerufen werden. Weitere Beobachtungen in den nächsten Jahren, vor allem durch Gravitationswellendetektoren wie LIGO, werden uns wahrscheinlich Aufschluß über die Herkunft dieser Gammastrahlung geben.
Selbst wenn die Suche nach urzeitlichen Schwarzen Löchern erfolglos bliebe, was durchaus der Fall sein könnte, so wird sie doch wichtige Einblicke in die sehr frühen Stadien des Universums geben. Wäre das frühe Universum chaotisch oder unregelmäßig oder der Druck der Materie gering gewesen, hätten Schwarze Löcher in einer Zahl entstehen müssen, die weit über dem Grenzwert läge, den unsere Beobachtungen des Gammastrahlenhintergrunds ergeben haben. Nur wenn das frühe Universum bei hohem Druck sehr einheitlich und gleichförmig gewesen ist, läßt sich erklären, warum es so wenige urzeitliche Schwarze Löcher gibt, daß man sie nicht beobachten kann.
Die Idee, daß Schwarze Löcher strahlen, war das erste Beispiel für eine Vorhersage, die wesentlich auf beiden großen Theorien des 20. Jahrhunderts beruhte – der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik. Anfangs stieß dieser Gedanke auf heftigen Widerstand, weil er der herrschenden Auffassung widersprach: «Wie kann ein Schwarzes Loch irgend etwas emittieren?» Als ich die Ergebnisse meiner Berechnungen erstmals auf einer Tagung am Rutherford-Appleton Laboratory bei Oxford vorstellte, reagierten die Teilnehmer sehr skeptisch. Am Ende meines Vortrags erklärte John G. Taylor vom Londoner Kings College, der Chairman der Sitzung, er halte meine Ausführungen für kompletten Unsinn. Er schrieb sogar einen Artikel in diesem Sinne. Schließlich kamen aber doch die meisten, auch John Taylor, zu der Einsicht, daß Schwarze Löcher wie heiße Körper strahlen müssen, wenn unsere anderen Überlegungen zur Relativitätstheorie und Quantenmechanik zutreffen. Wenn es uns also auch noch nicht gelungen ist, ein urzeitliches Schwarzes Loch zu finden, so sind wir uns doch weitgehend einig, daß es Gamma- und Röntgenstrahlen in erheblichem Ausmaß emittieren würde.
Wenn Schwarze Löcher strahlen, würde daraus folgen, daß der Gravitationskollaps nicht so endgültig und unwiderruflich ist, wie man einmal geglaubt hat. Fällt ein Astronaut in ein Schwarzes Loch, wird sich dessen Masse vergrößern, doch am Ende wird das Energieäquivalent der zusätzlichen Masse dem Universum in Form von Strahlung zurückgegeben. In gewisser Weise würde der Astronaut also einem «Recycling»-Prozeß unterworfen werden. Das wäre jedoch eine sehr kümmerliche Art der Unsterblichkeit, weil für den Astronauten jeder persönliche Zeitbegriff sogleich aufhörte, in dem Augenblick nämlich, da er im Innern des Schwarzen Loches zerrissen würde. Sogar die Art der Teilchen, die das Schwarze Loch schließlich emittierte, würde sich größtenteils von der der Teilchen unterscheiden, aus denen sich der Astronaut zusammensetzte: Als einzige Eigenschaft des Astronauten würde seine Masse oder Energie überleben.
Die Näherungen, die ich zur Ableitung der Emission von Schwarzen Löchern verwendete, sollten zutreffen, solange die Masse des Schwarzen Loches größer als der Bruchteil eines Gramms ist. Hingegen gelten sie nicht mehr, wenn die Masse am Ende der Lebenszeit des Schwarzen Loches sehr klein werden würde. Am wahrscheinlichsten ist es, daß das Schwarze Loch einfach verschwände, zumindest aus unserer Region des Universums – und mit ihm der Astronaut und jegliche Singularität, die sich möglicherweise im Innern befände, wenn es denn dort tatsächlich eine gibt. Dies war das erste Anzeichen dafür, daß die Quantenmechanik unter Umständen jene Singularitäten beseitigen könnte, die von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt werden. Doch mit den Methoden, die wir 1974 benutzten, konnten wir Fragen wie etwa die, ob Singularitäten in einer Quantentheorie der Gravitation vorkämen, nicht beantworten. Ab 1975
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