Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
meisten dieser Löcher sehr schwach, weil sie sich in großer Entfernung befänden, doch die Summe ihrer Strahlungen könnte nachweisbar sein. Tatsächlich beobachten wir eine solche Gammahintergrundstrahlung: Abbildung 25 zeigt, wie sich die beobachtete Intensität mit verschiedenen Frequenzen (der Wellenzahl pro Sekunde) verändert. Doch diese Hintergrundstrahlung könnte auch – und das ist sogar sehr wahrscheinlich – durch andere Prozesse als durch urzeitliche Schwarze Löcher entstanden sein. Die gestrichelte Linie in Abbildung 25 deutet an, wie sich die Intensität mit der Frequenz von Gammastrahlen verändern müßte, die urzeitliche Schwarze Löcher abgäben, wenn von ihnen im Durchschnitt dreihundert pro Kubiklichtjahr vorhanden wären. So läßt sich feststellen, daß die Beobachtung des Gammastrahlenhintergrunds keinen positiven Anhaltspunkt für das Vorhandensein urzeitlicher Schwarzer Löcher liefert, doch sie zeigt, daß es im Durchschnitt nicht mehr als dreihundert solcher Löcher pro Kubiklichtjahr des Universums geben kann. Dieser Grenzwert bedeutet, daß die urzeitlichen Schwarzen Löcher höchstens ein Millionstel der Materie im Universum ausmachen können.
Wenn urzeitliche Schwarze Löcher so selten sind, scheint die Chance gering zu sein, daß eines uns nahe genug wäre, um von uns als individuelle Gammastrahlenquelle beobachtet werden zu können. Doch da die Gravitation die urzeitlichen Schwarzen Löcher in die Nähe von Materie ziehen würde, müßten sie sehr viel häufiger in Galaxien und ihrem Umfeld vorkommen. Folglich können wir dem Gammastrahlenhintergrund zwar entnehmen, daß es im Durchschnitt nicht mehr als dreihundert urzeitliche Schwarze Löcher pro Kubiklichtjahr geben kann, er sagt aber nichts über die Häufigkeit ihres Vorkommens in unserer eigenen Galaxis aus. Wären sie beispielsweise eine Million mal so häufig, wie es der Durchschnittswert angibt, dann würde das nächste Schwarze Loch wahrscheinlich etwa eine Milliarde Kilometer von der Erde entfernt sein, ungefähr so weit wie Pluto, der fernste der bekannten Planeten. Auch auf eine solche Distanz wäre es noch immer sehr schwer, die stetige Emission eines Schwarzen Loches zu entdecken – selbst wenn sie zehntausend Megawatt betrüge. Um ein urzeitliches Schwarzes Loch zu beobachten, müßte man innerhalb eines angemessenen Zeitraums, etwa einer Woche, etliche Gammastrahlenquanten aus derselben Richtung entdecken. Andernfalls könnten sie einfach Teil des Hintergrunds sein. Doch aufgrund des Planckschen Quantenprinzips wissen wir, daß jedes Gammastrahlenquantum über eine sehr große Energie verfügt, weil Gammastrahlen von hoher Frequenz sind, so daß es nicht vieler Quanten bedürfte, um selbst zehntausend Megawatt abzustrahlen. Und um diese wenigen aus einer Entfernung wie der von Pluto eintreffenden Strahlen zu beobachten, bräuchte man einen Gammastrahlendetektor, der größer wäre als alle bislang gebauten. Überdies müßte er sich im Weltraum befinden, weil Gammastrahlen nicht in die Atmosphäre eindringen können.
Wenn allerdings ein Schwarzes Loch, das uns so nahe wäre wie Pluto, ans Ende seiner Lebenszeit gelangen und explodieren würde, wäre es natürlich leicht, diesen letzten Strahlenausbruch zu entdecken. Strahlt aber das Schwarze Loch seit zehn oder zwanzig Milliarden Jahren, so ist die Wahrscheinlichkeit, daß es innerhalb der nächsten Jahre das Ende seiner Lebenszeit erreicht – und nicht einige Millionen Jahre früher oder später –, wohl ziemlich gering. Will also heute ein Wissenschaftler eine vernünftige Chance haben, eine solche Explosion zu entdecken, bevor ihm die Forschungsmittel ausgehen, muß er eine Möglichkeit finden, jede Explosion innerhalb einer Entfernung von ungefähr einem Lichtjahr zu registrieren. Tatsächlich sind Gammastrahlenausbrüche im Weltraum von Satelliten entdeckt worden, die ursprünglich dazu dienten, die Einhaltung des Verzichts auf Atomwaffentests zu überprüfen. Solche Ausbrüche scheinen rund sechzehnmal im Monat zu erfolgen und sind mehr oder minder gleichförmig über den Himmel verteilt. Daraus läßt sich schließen, daß ihr Ursprung außerhalb des Sonnensystems liegt, denn sonst müßten sie an der Ebene der Planetenbahnen konzentriert sein. Weiterhin zeigt die gleichförmige Verteilung, daß sich die Quellen entweder nicht weit von uns in oder aber außerhalb der Milchstraße befinden, denn sonst wären sie wiederum an der galaktischen
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