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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hawking
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beschleunigen, aber wieviel Energie auch immer wir aufwenden, wir schaffen es nicht, sie über die Schranke der Lichtgeschwindigkeit zu treiben. Gleiches gilt für Raumschiffe: Egal, wieviel Antriebsenergie sie besitzen, über die Lichtgeschwindigkeit hinaus können sie nicht beschleunigen.
    Damit scheinen beide Möglichkeiten ausgeschlossen zu sein – schnelle Raumfahrten und Zeitreisen in die Vergangenheit. Doch es gibt einen Ausweg. Möglicherweise kann man nämlich die Raumzeit so stark krümmen, daß eine Abkürzung zwischen A und B entsteht. Unter anderem ließe sich dies durch die Schaffung eines Wurmloches zwischen A und B bewerkstelligen. Wie der Name erkennen läßt, ist ein Wurmloch eine dünne Röhre, ein schmaler Gang in der Raumzeit, der zwei weit auseinanderliegende, nahezu flache Regionen verbinden kann.
    Zwischen der Länge des Wurmloches und dem Abstand seiner Enden auf dem nahezu flachen Hintergrund muß keine Beziehung bestehen. Es läßt sich also ein künstliches oder natürliches Wurmloch denken, das aus der Nachbarschaft des Sonnensystems zu Alpha Centauri führt. Dabei könnte die Entfernung durchs Wurmloch nur einige Millionen Kilometer betragen, obwohl Erde und Alpha Centauri im gewöhnlichen Raum vierzig Billionen Kilometer auseinanderliegen. So wäre es möglich, das Ergebnis des Hundertmeterlaufs bei der Kongreßeröffnung zu verkünden. Doch dann sollte ein Beobachter auf dem Weg zur Erde auch in der Lage sein, ein anderes Wurmloch zu finden, mit dessen Hilfe er von der Eröffnung des Kongresses auf Alpha Centauri noch vor dem Start des Laufs auf die Erde gelangen könnte. Somit würden Wurmlöcher, wie alle anderen vorstellbaren Bewegungen mit Überlichtgeschwindigkeit, Reisen in die Vergangenheit gestatten.
    Das Konzept von Wurmlöchern, die verschiedene Regionen der Raumzeit miteinander verbinden, ist keine Erfindung von Science-fiction-Autoren, sondern kann sich einer viel vornehmeren Herkunft rühmen.
    1935 haben Einstein und Nathan Rosen in einem Artikel nachgewiesen, daß nach der Allgemeinen Relativitätstheorie «Brücken» möglich sind – das, was wir heute Wurmlöcher nennen. Die Einstein-Rosen-Brücken hätten eine extrem kurze Lebensdauer, so daß kein Raumschiff sie passieren könnte – jedes Gefährt müßte an den Singularitäten scheitern, zu denen sich die Brücken verjüngen würden. Man hat allerdings die Vermutung geäußert, eine hochentwickelte Zivilisation könnte in der Lage sein, Wurmlöcher offenzuhalten. Dazu – wie zu jeder anderen Raumzeitverwerfung, die Zeitreisen ermöglicht – braucht man, wie sich zeigen läßt, eine Raumzeitregion mit negativer Krümmung, ähnlich der Oberfläche eines Sattels. Gewöhnliche Materie besitzt eine positive Energiedichte und verleiht der Raumzeit deshalb eine positive Krümmung, wie sie die Oberfläche einer Kugel aufweist. Um Raumzeit also derart zu krümmen, daß sie Reisen in die Vergangenheit zuläßt, braucht man Materie mit negativer Energiedichte.
    Energie hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Geld: Bei einer positiven Bilanz dürfen Sie sie nach Belieben verbrauchen, doch ist es Ihnen nach den klassischen Gesetzen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts galten, nicht erlaubt, das Konto zu überziehen. Daher schließen diese Gesetze jede Möglichkeit von Zeitreisen aus. Doch wie in früheren Kapiteln beschrieben, wurden die klassischen Gesetze durch die Quantenmechanik ersetzt, die auf der Unschärferelation beruht. Die Quantengesetze sind großzügiger und gestatten es Ihnen, ein oder zwei Konten zu überziehen, vorausgesetzt, die Gesamtbilanz bleibt positiv. Mit anderen Worten, die Quantentheorie läßt negative Energiedichte an einigen Stellen zu, solange sie durch positive Energiedichte an anderen Stellen ausgeglichen wird, so daß die Gesamtenergie positiv bleibt. Wie es kommt, daß nach der Quantentheorie negative Energiedichten möglich sind, zeigt das Beispiel des Casimir-Effekts. Im siebten Kapitel haben wir gesehen, daß sogar der Raum, den wir «leer» wähnen, mit Paaren virtueller Teilchen und Antiteilchen gefüllt ist, die gemeinsam entstehen, sich trennen und wieder zusammenkommen, um sich zu annihilieren. Stellen wir uns nun zwei parallele Metallplatten vor, die in geringem Abstand aufgestellt sind. Für die virtuellen Photonen oder Lichtteilchen haben die Platten die Funktion von Spiegeln. Sie bilden also praktisch einen Hohlraum, ähnlich einer Orgelpfeife, die nur bei bestimmten Tönen in

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