Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
für den sich Science-fiction-Autoren brennend interessieren. Nach den Gesetzen der Relativitätstheorie kann sich nichts schneller fortbewegen als das Licht. Wollten wir also ein Raumschiff zu unserem nächsten Nachbarstern Alpha Centauri schicken, der ungefähr vier Lichtjahre von uns entfernt ist, dann würden wir die tapferen Besatzungsmitglieder frühestens in acht Jahren zurückerwarten können, um von ihnen zu hören, was sie entdeckt haben. Führte die Expedition ins Zentrum unserer Galaxis, so würden bis zu ihrer Rückkehr mindestens hunderttausend Jahre verstreichen. Einen Trost gewährt die Relativitätstheorie allerdings: das im zweiten Kapitel geschilderte Zwillingsparadoxon.
Wie erwähnt, gibt es kein einheitliches Zeitmaß; vielmehr hat jeder Beobachter eine eigene Zeit, die er auf seiner mitgeführten Uhr mißt. Daher kann die Reise den Raumfahrern wesentlich kürzer erscheinen als den Freunden und Verwandten auf der Erde. Allerdings wäre es kaum sehr angenehm, einige Jahre älter von einer Reise durchs All zurückzukehren und feststellen zu müssen, daß alle Menschen, die man auf der Erde zurückgelassen hat, seit Jahrtausenden tot und vergessen sind. So mußten die Science-fiction-Autoren, um ihren Geschichten einen menschlichen Anstrich zu geben, voraussetzen, wir würden eines Tages einen Weg finden, uns schneller als das Licht fortzubewegen. Allerdings scheint den meisten dieser Autoren nicht klar zu sein, daß nach der Relativitätstheorie jemand, der schneller als das Licht ist, auch in der Zeit zurückreisen kann, wie dem folgenden Limerick zu entnehmen ist:
There was a young lady of Wight
Who travelled much faster than light.
She departed one day,
In a relative way,
And arrived on the previous night.
Entscheidend ist, daß es nach der Relativitätstheorie kein einheitliches Zeitmaß gibt, das die Zustimmung aller Beobachter fände. Jeder Beobachter hat seinen eigenen Zeitbegriff. Wenn eine Rakete, die sich langsamer als das Licht bewegte, von Ereignis A (nehmen wir das Hundertmeterfinale bei den Olympischen Spielen 2012) zu Ereignis B (sagen wir, die Eröffnung der 100 004ten Sitzung des Kongresses von Alpha Centauri) gelangen könnte, dann wären sich alle Beobachter, ungeachtet ihres unterschiedlichen Zeitmaßes, darin einig, daß Ereignis A vor Ereignis B stattgefunden hat. Gehen wir jetzt jedoch von der Annahme aus, das Raumschiff müßte schneller als das Licht fliegen, um dem Kongreß das Ergebnis des Hundertmeterlaufs zu überbringen. Unter diesen Umständen könnten Beobachter, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen, uneins sein, ob sich A vor B ereignet hat oder umgekehrt. Nach der Zeit eines Beobachters, der sich relativ zur Erde in Ruhe befindet, kann der Kongreß nach dem Lauf eröffnet worden sein. Dieser Beobachter wäre also der Meinung, das Raumschiff könne rechtzeitig von A nach B gelangen, wenn es nicht an die Grenze der Lichtgeschwindigkeit gebunden wäre. Andererseits hätte ein Beobachter in der Nähe von Alpha Centauri, der sich fast mit Lichtgeschwindigkeit von der Erde fortbewegte, den Eindruck, Ereignis B, die Kongreßeröffnung, fände vor Ereignis A, dem Hundertmeterlauf, statt. Nun besagt aber die Relativitätstheorie, daß auch Beobachtern, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen, die physikalischen Gesetze gleich erscheinen.
Dies hat sich in vielen Experimenten bestätigt und dürfte seine Gültigkeit behalten, selbst wenn wir eine noch bessere Theorie finden und sie an die Stelle der Relativitätstheorie setzen sollten. Der in Bewegung befindliche Beobachter würde also erklären: Falls Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit möglich seien, müsse man von Ereignis B, der Kongreßeröffnung, zu Ereignis A, dem Hundertmeterlauf, gelangen können. Noch ein bißchen mehr Tempo, und man könnte vor Beginn des Laufs eintreffen und eine todsichere Wette abschließen, da einem der Ausgang ja bekannt wäre.
Allerdings dürfte es nicht ganz leicht sein, die Schranke der Lichtgeschwindigkeit zu überwinden. Nach der Relativitätstheorie wird die Antriebsenergie, die erforderlich ist, um ein Raumschiff zu beschleunigen, um so größer, je näher es der Lichtgeschwindigkeit kommt. Dafür gibt es auch experimentelle Beweise, die zwar nicht Raumschiffe betreffen, wohl aber Elementarteilchen in Teilchenbeschleunigern, wie sie Fermilab oder CERN betreiben. Diese Teilchen können wir auf 99,99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit
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